Auch wenn sich Donald Trump und Theresa May für ihre bilateralen Gespräche auf dem ehrwürdigen Landsitz der Premierministerin in Chequers verschanzen, schwebt der Geist des US-Präsidenten in gewisser Weise auch über London. Ein sechs Meter großer Ballon in Form eines Trump-Babys mit blonder Haartolle, Handy in der Hand und Ärger im orangefarbenen Gesicht soll die massiven Proteste, die am Freitag in der britischen Hauptstadt erwartet werden, aus der Luft begleiten.
Zwar wird es keine volle Staatsvisite, wie ursprünglich geplant, sondern nur ein mehrtägiger „Arbeitsbesuch“ mit anschließendem Wochenendtrip auf den Trumpschen Golfplatz in Schottland. Jedoch reicht es für den Präsidenten samt Ehefrau Melania nach den politischen Gesprächen noch zu einem Nachmittagstee mit Königin Elizabeth II. auf Schloss Windsor. Auf den Prunk muss der Liebhaber vergoldeter Aufzüge aber verzichten, denn sowohl im Weißen Haus als auch in der Downing Street ist die Angst groß, dass der Besuch nicht jene Jubelbilder produziert, die Trump von vergangenen Visiten mit nach Hause nehmen konnte.
Fast zwei Millionen Briten hatten sich in einer Petition gegen den Besuch ausgesprochen, planen nun Massendemonstrationen im ganzen Land. Zwar hieß es, dass Trump keineswegs absichtlich London meide, sondern vielmehr einen Eindruck vom Land außerhalb der Metropole gewinnen solle. Das klingt aber wenig überzeugend.
Was der dünnhäutige Politiker von seinem aufblasbaren Abbild hält, ist bislang nicht überliefert. Doch im Königreich steigt die Nervosität, dass er seinen Unmut über die Proteste via Twitter ausdrücken könnte. Und damit die „special relationship“ erneut auf eine Probe stellen würde. Die Briten sind äußerst stolz auf ihre besondere Beziehung, die sie traditionell seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu den USA pflegen.
Sie betrachteten sich stets als Brücke zwischen Europa und Washington, und so wurde es zunächst als Bravourstück gefeiert, dass Trump nach seiner Amtsübernahme May als ersten ausländischen Staatsgast empfing. London ist angesichts des anstehenden Brexit auf ein bilaterales Handelsabkommen mit den USA angewiesen.
Vor diesem Hintergrund darf auch Mays unnötige, peinliche und voreilig ausgesprochene Einladung im Namen Ihrer Majestät zum Staatsbesuch verstanden werden. Das Verhältnis hat aber merklich gelitten, nachdem Trump beispielsweise vergangenen November die islamfeindlichen Äußerungen einer rechtsextremen britischen Gruppe weiterverbreitet und danach die Premierministerin direkt angegriffen hat. Ein diplomatischer Eklat.
Das Königreich in der Kritik
Auch diese Woche meldete sich der selbst ernannte Brexit-Anhänger zu Wort und meinte, er könne sich ein Treffen mit seinem „Freund“ Boris Johnson vorstellen – ausgerechnet mit dem Ex-Außenminister, der am Montag aus Rebellion gegen Mays Brexit-Kurs zurückgetreten war. Sollte es soweit kommen, wäre dies erneut ein heftiger Affront gegenüber der Regierungschefin. Und ein Eingriff in den Machtkampf auf der Insel. Sollte es also eine besondere Beziehung zwischen den beiden Ländern geben, findet diese auf der militärischen Seite statt, aber definitiv nicht auf der Führungsebene.
Für einige Zeit stand das Königreich in der Kritik, vorbehaltlos den Amerikanern zu folgen. Ex-Premier Tony Blair etwa zierte unzählige Karikaturen als „Bushs Pudel“, nachdem er 2003 trotz Gegenwehr europäischer Partner an der Seite von George W. Bush in den Irakkrieg zog. Mit Barack Obama erreichte die „special relationship“, die vor allem von den Briten unaufhörlich und manchmal mit gewisser Anbiederung beschworen wird, wieder Normalität. Bis Trump übernahm.
Denn nicht nur mit May hat er Schwierigkeiten. Auch mit Londons Bürgermeister Sadiq Khan liegt der Republikaner via Twitter im Clinch. Hinzu kommen die politischen Differenzen. Das Königreich setzt sich für den Freihandel und Globalisierung ein, Trump ist Protektionist. Auch bei Themen wie dem Iran-Abkommen, der Klima- oder Nahostpolitik steht London auf der Seite der europäischen Partner.
Trotzdem, die Briten brauchen Trump. Als er im vergangenen Jahr ein Abkommen in Aussicht stellte, war die Erleichterung in Downing Street fast bis in die schottischen Highlands zu spüren. Doch das zeugt von Naivität. Auf das Wort von Trump zu viel zu geben, ist riskant. Ihm scheint an Wohlstand und Sicherheit in Europa nicht viel gelegen zu sein. Umso heikler stellt sich für die Briten der Empfang des umstrittenen Präsidenten dar.