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Kommentar über die Lage der CDU Der Niedergang einer entkernten Partei

Die Zeiten, in denen die CDU den anderen Parteien die Themen klaute und sie dadurch marginalisierte, sind vorbei. Die Union muss nun wieder eigene Schwerpunkte setzen, meint Ben Zimmermann.
14.02.2020, 06:00 Uhr
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Der Niedergang einer entkernten Partei
Von Ben Zimmermann

Der Beginn des Niedergangs der CDU, dem der Rückzug von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nun ein weiteres dramatisches Kapitel hinzufügt, lässt sich ziemlich konkret datieren: Es war die Griechenland- und Euro-Krise, die viele Konservative und Wirtschaftsliberale am Kurs von Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel zweifeln ließ. Und es war zugleich der Startschuss für eine Partei, deren Aufstieg spiegelverkehrt zum CDU-Abstieg verlief: die AfD, damals noch eine konservativ ausgerichtete Partei mit vielen Wirtschaftsprofessoren in ihren Reihen. Der große Katalysator – sowohl für den Erfolg und die Radikalisierung der einen, als auch für den Absturz der anderen – war die Flüchtlingskrise 2015. Wer die heutige Lage der CDU verstehen will, muss in jenes Jahr schauen.

Das Dilemma, dass Merkel mit ihrer Linksverschiebung der CDU zwar auf den Beifall vieler Leitartikler stieß und den grün-linken Zeitgeist bediente, dabei aber frühere CDU-Wähler vertrieb (zum großen Teil in die Arme der AfD), konnte auch ihre Nachfolgerin an der Parteispitze nicht auflösen: Denn die Fans im jenseitigen Parteienspektrum machen bei aller Sympathie weiter ihr Kreuz bei Grünen, SPD oder Linken – die eigene Anhängerschaft aber geht von der Stange. Das brachte eine Reihe von Wahlschlappen, am dramatischsten nun im Osten des Landes. Die CDU wurde und wird mit Merkel assoziiert, daran hat auch Kramp-­Karrenbauers Parteiführung nichts geändert.

Problem der Populisten sind nicht ihre Themen

So wie der Aufstieg der Linken in erster Linie ein Problem für die SPD war (das diese nun ausgerechnet durch geschichtsvergessene Anbiederei an die SED-Nachfolger lösen will), ist der Erfolg der AfD vor allem ein Problem der Christdemokraten. Denn die Partei am rechten Rand ist zumindest zum Teil Fleisch vom Fleische der CDU. Doch sie wird aus dieser Bredouille nicht entkommen, indem sie sich in eine sich selbst antifaschistisch nennende Linksfront einreiht. Dort dient die Linkspartei quasi als Bindeglied ins linksextreme Spektrum, das das bundesdeutsche Gesellschaftssystem genauso hasst und verachtet, wie es rechtsaußen der Fall ist.

Das Problem des Populismus, so sagt man, sind die Populisten, nicht ihre Themen. Denn diese sind nun einmal da. Die Augen fest zuzukneifen, um den Elefanten im Raum nicht zu sehen, hilft da nicht, ganz im Gegenteil. Im Hinblick auf die AfD ist das in erster Linie die Migrationsfrage, dieses Thema ist ihr Lebenselixier. Ein erfolgversprechender Kurs der CDU wäre gar nicht so kompliziert: Sie muss dafür stehen, dass Menschen mit Anspruch auf Schutz diesen auch in Deutschland bekommen – und die anderen wieder zurück müssen. Doch davon ist die Bundesrepublik derzeit weit entfernt.

Merkels Modernisierungskurs war nicht falsch

Viel näher an der Realität ist das linke Mantra vom „Bleiberecht für alle“ (was übrigens dem Grundgesetz völlig widerspricht). Geltendes Recht wirklich durchzusetzen ist schwer – doch nicht unmöglich, wie auch der Fall Miri zeigte. Zumindest muss das Bemühen der Union deutlich erkennbar sein – unterfüttert mit entsprechendem Personal und klaren Ansagen.

Eine Rolle rückwärts in die 80er-Jahre darf es bei einer Kurskorrektur natürlich nicht geben. Merkels Modernisierungskurs war ja nicht vollkommen falsch. Viele Reformen, denen die Partei zum Teil nur widerwillig folgte, waren richtig: der Mindestlohn, die Aussetzung der Wehrpflicht oder die Homo-Ehe zum Beispiel. Wobei diese Projekte natürlich die Handschrift des jeweiligen Koalitionspartners trugen – wie überhaupt die Union in 15 Jahren Merkelscher Kanzlerschaft kaum eigene Akzente setzte.

Viele Möglichkeiten bei der Schwerpunktsetzung

Doch die Zeiten, in denen die CDU den anderen Parteien die Themen klaute und sie dadurch marginalisierte, sind vorbei. Die Union muss eigene Schwerpunkte setzen, und dafür hat sie viele Möglichkeiten. Etwa in der Wirtschaftspolitik: Diesen Markenkern muss sie wieder besetzen. Dabei kann sie sich klar abgrenzen von SPD und Linken, die zwar beim Klimaschutz und in der Sozialpolitik teure Pläne schmieden, denen aber zur Finanzierung nicht mehr als Abgabenerhöhungen und Schuldenmachen einfallen.

Wie Deutschland den technologischen Wandel bestehen will, wie neue Arbeitsplätze entstehen können, wie hiesige Unternehmen wieder in die Weltspitze vorstoßen, wo längst andere den Ton angeben – darauf muss die Union Antworten finden. Letztlich könnten von einer klar kommunizierten Kurskorrektur der CDU auch Anhänger des links-grünen Lagers – und die Demokratie selbst – profitieren. Denn die Parteien würden wieder unterscheidbarer, die Wähler hätten echte Alternativen. Übrigens auch ohne die Partei, die dieses Wort im Namen führt.

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