Bei der Linken gibt es im Lichte der Hessen-Wahl ein lachendes und ein weinendes Auge. Das lachende Auge blickt auf die Tatsache, dass es die Partei unter der Spitzenkandidatin Janine Wissler nach 2008 und 2013 nun ein drittes Mal in den Landtag von Wiesbaden geschafft und sich dabei auch noch verbessert hat. Das ist im Westen nicht selbstverständlich.
Nach Gründung der Linken als Reaktion auf die Agenda 2010 des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder zog sie ja in mehrere West-Landtage ein. Es herrschte Euphorie. Später fiel sie aus mehreren dieser Länderparlamente wieder heraus. Bei der bayerischen Landtagswahl vor zwei Wochen verfehlte die Linke den Einzug ins Landesparlament abermals deutlich. Die Westausdehnung stockt also – mit Ausnahme der Stadtstaaten Bremen und Hamburg sowie des kleinen Saarlandes und eben Hessens.
Das weinende Auge vergleicht die Umfragen, die monatelang recht stabil bei acht Prozent lagen, mit dem Ergebnis, das etwas bescheidener ausfällt als erhofft. Entsprechend äußerte sich am Sonntag die Parteivorsitzende Katja Kipping. „Man wünscht sich immer mehr“, sagte sie. Für die Bundespolitik sieht Kipping gleichwohl ein klares Signal.
„Diese Wahl heute war eine Denkzettelwahl für die Große Koalition“, betonte sie. Im Übrigen sei die Linke „immer die Lobby für alle“ gewesen, „die sich keine Lobbyisten leisten konnten“. Der relative Erfolg in Hessen hat fraglos mit den linken Milieus zu tun, die es dort seit jeher gibt, in Frankfurt/Main, in Offenbach oder in Marburg. Er hat mit der Spitzenkandidatin Wissler zu tun, die ebenso professionell wie profiliert agiert.
Grüne werden zum Magneten
In anderen westdeutschen Landesverbänden ist das Personal meist entweder unbekannt oder zerstritten. Letzteres trifft seit einiger Zeit auch auf den saarländischen Landesverband zu, der mit Parteigründer Oskar Lafontaine bis heute eine Ausnahmeerscheinung darstellt, aber bei der letzten Landtagswahl schlechter abschnitt als noch zuvor.
Dass die Hessen-Linke am Ende doch hinter den Umfragen zurückblieb, dürfte wiederum viel mit den Grünen zu tun haben. Denn von den großen Verlusten der SPD hat die Linke kaum profitiert. Stattdessen werden die Grünen immer mehr zum Magneten des gesamten linksliberalen Spektrums. Nicht wenige in der Linken-Spitze ärgert das. Und sie führen es unter anderem auf die Linksfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht zurück. Sie, so heißt es, erzeuge den Eindruck einer flüchtlingskritischen Haltung der Partei, während die Grünen mit weißer Weste dastünden. Dabei sei es die Linke, die im Bundestag alle Asylrechtsverschärfungen abgelehnt habe.
Tatsache ist, dass die Partei neuen Herausforderungen entgegensieht. Im kommenden Jahr finden nämlich in Brandenburg, Sachsen und Thüringen Landtagswahlen statt. Lange Zeit hatte die Linke dort nichts zu fürchten. In Brandenburg und Thüringen regiert sie mit. In Erfurt stellt sie gar den Ministerpräsidenten. Doch seit einiger Zeit gräbt die AfD der Ost-Linken mehr und mehr das Wasser ab. Und die tut sich schwer, dagegen ein Mittel zu finden.