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Gastkommentar über die Lage in Chile Die Schatten der Vergangenheit

Bleibt zu hoffen, dass sich Chile nun nach der Absage der beiden internationalen Großereignisse APEC- und Weltklimagipfel nicht von der Welt isoliert, schreibt unsere Gastautorin Yvonne Bangert.
02.11.2019, 06:00 Uhr
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Von Yvonne Bangert

Knapp 30 Jahre nach Ende der Militärdiktatur herrschten in Chile erneut Ausnahmezustand und Ausgangssperre, patrouillierte Militär in den Straßen und schlug brutal Proteste der Bevölkerung gegen soziales Unrecht und gegen die Privatisierung von Wasser, Strom, Bildungs-, Gesundheits- und Rentensystem nieder. Mindestens 19 Menschen sind ums Leben gekommen, weitere 20 werden noch vermisst, mehr als 3000 wurden verhaftet. Die UN-Menschenrechtskommissarin (UNHCHR) Michelle Bachelet hat eine Kommission eingesetzt, um die Menschenrechtsverletzungen während der Proteste zu untersuchen.

Präsident Piñera hat den Ausnahmezustand beendet und eine Regierungsumbildung angekündigt. Der APEC-Gipfel im November und der Weltklimagipfel COP25 im Dezember wurden abgesagt. Die Lage scheint also ernst. Die über Jahrzehnte aufgestaute Verbitterung der Menschen, die bislang vergeblich auf eine konsequente Abkehr von der Diktatur warten, sitzt tief. Von grundlegenden Reformen oder Menschen und Minderheitenrechten, die internationalen Standards standhalten, ist keine Rede. Dringend soll eine neue Verfassung die jetzige, direkt aus der Pinochet-Diktatur übernommene, ablösen. Längst wird auch der Rücktritt des Präsidenten gefordert.

An den Protesten, die bis in die Araucanía im Süden ausstrahlen, sind auch die Mapuche beteiligt, das mit mehr als einer Million Menschen größte indigene Volk des Landes. Hier ist die Willkür der militarisierten Polizei (Carabineros) alltägliche Realität. Bis heute wird das berüchtigte Anti-Terrorismusgesetz angewendet, ebenfalls ein Erbe der Diktatur. Es ermöglicht ungewöhnlich hohe Haft- und Geldstrafen gegen Mapuche, die für die Land- und Wasserrechte ihrer Gemeinschaften kämpfen, für das Recht auf Ausübung der traditionellen Religion, Kultur, Medizin. Dafür genügen Aussagen anonymer Zeugen, die die Verteidigung eines Angeklagten nicht überprüfen kann.

Umgekehrt bleiben Morde an Mapuche oft ungesühnt oder werden gering bestraft. Dabei hat Chile mit der UN-Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation und der Allgemeinen Erklärung zu den Rechten indigener Völker die beiden wichtigsten internationalen Mechanismen für eine Stärkung indigener Rechte ratifiziert. Bleibt zu hoffen, dass sich Chile nun nach der Absage der beiden internationalen Großereignisse nicht von der Welt isoliert.

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Unsere Gastautorin

ist Referentin für indigene Völker bei der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen.

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