Die Seuche kommt im Elektrohandel an. Am Montag meldete Apple, der Konzern werde seine Smartphones nur noch eingeschränkt in die Welt schicken, und natürlich hat das mit dem Coronavirus zu tun. Drei Viertel aller Bauteile fürs iPhone kommen aus China, wo das Gerät auch zusammenmontiert wird. Seit mehr als einem Monat ruht die Produktion. Inzwischen hat der kalifornische Konzern den erwarteten Gewinn nach unten korrigiert, die Anleger sind in Aufruhr. Sie ahnen: Apple ist das erste globale Unternehmen, das die Folgen der Seuche unmittelbar spürt. Und es wird nicht das einzige bleiben.
In einer globalisierten Welt, in der alles mit allem zusammenhängt, selbst die entlegensten Orte durch Handel und Arbeitsteilung verbunden sind, finden auch Erreger ihren Weg. Viren wandern wie Waren über die globalen Handelsrouten. So hat es die Afrikanische Schweinepest bis in die Mitte Europas geschafft, und so breitet sich nun auch das Coronavirus aus. Zurückdrehen lässt sich die Globalisierung deswegen nicht.
Phase der Pandemie steht bevor
Gegen die Ausbreitung eines Erregers hilft es nicht, sich abzuschotten. Geschlossene Grenzen schützen niemanden, sie sind der Seuche egal. Das Virus setzt sich über Mauern und Zäune hinweg. Erst China, dann Japan, Südkorea, nun Iran, Italien, Österreich. Dabei schätzen Forscher, dass weltweit zwei Drittel aller Coronafälle, die aus China exportiert wurden, unentdeckt geblieben sind. Man braucht also nicht viel Fantasie, um davon auszugehen, dass die Phase der Pandemie bevorsteht. Der Zustand, wenn ein Virus auf der ganzen Welt wütet. Das Paradoxe an der Pandemie: Je globaler die Seuche ist, desto wichtiger sind die Maßnahmen vor Ort. In so einem Stadium lässt sich das Virus vielleicht nicht mehr aufhalten, aber es lässt sich bremsen. Darum wird es gehen, sollte das Coronavirus in Deutschland ausbrechen.
Minister Jens Spahn sagt, das deutsche Gesundheitssystem sei vorbereitet. Mag sein. Die Bürger sind es nicht. Das Coronavirus, das bislang so unberechenbar scheint, hat etwas Unheimliches. Die neue Seuche weckt menschliche Urängste, besonders dann, wenn die Unsicherheit online noch verstärkt wird. Verschwörungstheorien verbreiten sich noch schneller als das Virus selbst. Rassisten versuchen, die Angst zu nutzen, um gegen alles Fremde zu hetzen. Die Folgen: Asia-Läden bleiben leer. Asiatisch aussehende Menschen berichten, wie Leute in der Bahn einen Bogen um sie machen und schnell den Schal vor den Mund ziehen. Menschen werden nach zwei Wochen in Quarantäne gemieden, auch wenn sie nachweislich gesund sind. Im Kampf gegen das Coronavirus könnte Angst zum schlimmsten Keim werden.
Dabei gibt es keinen Grund zur Panik. Allerdings gibt es auch keinen Grund, so zu tun, als wäre Deutschland immun gegen Seuchen. Es braucht ein Bewusstsein dafür, dass das Virus sehr plötzlich auch hier auftreten kann. Und dass es Möglichkeiten gibt, vorzusorgen. Noch immer unterschätzt: Hände waschen. Regelmäßig, mit warmem Wasser und Seife. Dazu braucht es Spender mit Desinfektionsmitteln in öffentlichen Räumen. Vielleicht auch Schilder, die zeigen, wie man richtig niest, nämlich ins Taschentuch. Und Unternehmen, die ihre Mitarbeiter rechtzeitig aufklären, wie sie sich am Arbeitsplatz zu verhalten haben. Klingt alles simpel, dürfte aber helfen.
Was weniger hilft: Wenn der Bundesverband der Deutschen Industrie Alarm schlägt und von der Regierung finanzielle Hilfe fordert, bevor das Virus überhaupt in Deutschland ausgebrochen ist. Statt der Industrie sollte die deutsche Politik zunächst der Weltgesundheitsorganisation (WHO) helfen. Die WHO will im Kampf gegen das Coronavirus vor allem Staaten mit schwachem Gesundheitssystem unterstützen, doch ihr geht das Geld aus. Sie hat die internationale Gemeinschaft deswegen um 675 Millionen Dollar gebeten. Noch fehlt ein großer Teil der Summe. Dabei sollte klar sein: Wenn jetzt nicht vorgesorgt wird, fällt der wirtschaftliche Schaden noch viel höher aus. Auch für Deutschland. So ist das eben in einer Welt, in der alles mit allem zusammenhängt.