Um den Kölner Dom herum soll es an diesem Sonntag eine Menschenkette geben. Aktivistinnen der Bewegung „Maria 2.0“ wollen für mehr Mitsprachemöglichkeiten von Frauen in der katholischen Kirche demonstrieren, einen Tag bevor in Fulda am Grab des heiligen Bonifatius die katholischen Bischöfe zu ihrer Herbstvollversammlung zusammenkommen. Und dort unter anderem besprechen, wie sie mit der jüngsten Kritik aus Rom am sogenannten synodalen Weg umgehen wollen.
Selten war die katholische Kirche in Deutschland so in Aufruhr wie in diesen Tagen. Selten war sie auch in solch einer Gefahr: Deutschlands Katholiken streiten mit Rom, sie streiten untereinander, und jeder Versuch, Dinge voranzubringen, wird von allen Seiten torpediert. Denn das war ja eigentlich die Aufgabe des synodalen Weges: Nach den jahrelangen Debatten um den Missbrauchsskandal und den Schockwellen der vor einem Jahr in Fulda vorgestellten MHG-Studie wollten die Bischöfe mit den katholischen Laien über die heißen Eisen in der Kirche diskutieren – vom Umgang mit der Sexualität bis zur Frauenfrage. Dass sich Rom nun einschaltete, war allerdings zu erwarten. Denn es gehört zum Wesenskern der katholischen Kirche dazu, eine Weltkirche zu sein. Eine nationale Bischofskonferenz kann grundlegende Entscheidungen zur Zukunft der Kirche nicht einfach im Alleingang fällen.
Zumal – und das ist eigentlich auch der Kern des Problems – Deutschlands katholische Bischöfe schon lange nicht mehr mit einer Stimme sprechen. Schon bei der Frage über die Eucharistiezulassung evangelischer Ehepartner war deutlich geworden, dass das Psalmwort „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen“ hinter den Kulissen anscheinend nicht immer so rezipiert wird, wie es das eigentlich verdient hätte.
Manche der Brüder scheinen jedenfalls eine erhebliche Energie darauf aufzuwenden, mit wohlformulierten Briefen nach Rom den gemeinsamen Heiligen Vater über vermeintliche Fehler der anderen Brüder zu informieren. Will die katholische Kirche tatsächlich Reformen angehen, die dazu beitragen, dass in der Öffentlichkeit Vorurteile gegen sie abgebaut werden, wäre der erste Schritt deswegen nicht die Einführung des Frauenpriestertums oder eine andere Sexualmoral. Ein erster Schritt wäre es schlicht, würden sich einige Vertreter des kirchlichen Leitungspersonals beim Umgang miteinander zuweilen etwas mehr an christlichen Grundwerten orientieren.
Verbindliche Beschlüsse nur bei rein deutschen Angelegenheiten
Doch zurück zum Thema Weltkirche. Denn ja, hier hat der synodale Weg klare Grenzen. Zu verbindlichen Beschlüssen kann er eigentlich nur dort kommen, wo es sich um rein deutsche Angelegenheiten handelt. Und das sollte von allen Beteiligten auch offen kommuniziert werden. Denn wann immer in der katholischen Kirche auch nur die Spur einer Reform am Horizont sichtbar wird, steigt der Erwartungsdruck ins Unermessliche. Nichts aber ist für die derzeitige Situation der Kirche so fatal, wie neuerlich enttäuschte Hoffnungen. Sie darf es auch am Ende des synodalen Weges nicht geben – weswegen er zu mehr Resultaten führen muss als einem unverbindlichen Gesprächsforum auf einem Katholikentag.
Die Laien müssen ein verbindliches Mitspracherecht erhalten, und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken muss sich mit voller Energie in den Prozess einbringen. Doch auch hier droht dem Gesprächsprozess schon die nächste Falle: Denn eine der Lehren aus der Frage der Eucharistiezulassung konfessionsverschiedener Partner ist ja gerade, dass die Bischofskonferenz nicht einfach Dinge, die in ganz Deutschland gelten sollen, per Mehrheitsbeschluss in Kraft setzen kann. Am Ende kommt es auch bei den Ergebnissen des synodalen Weges auf jeden einzelnen Bischof an.
Weswegen der synodale Weg ein grundlegend anderes Ziel haben sollte: Gelingt es, sich auf einige wenige grundlegende Positionen zu verständigen, die repräsentativ für die ganze katholische Kirche in Deutschland sind? Gelingt es, klar zu machen, was die eigentlichen Kerninhalte des katholischen Glaubens sind? Kann die Kirche deutlich sagen, wofür sie eigentlich steht? Wäre das das Ergebnis des synodalen Weges, würde es nicht nur den Katholiken in Deutschland bei ihrer Suche nach neuem Vertrauen nutzen.
Hätten Deutschlands Bischöfe so etwas in der Tasche, hätte ihr Wort in Rom und bei den Entscheidungen in der Weltkirche auch mehr Gewicht. Dazu aber müssten sie vor dem Start des synodalen Weges zunächst einmal die in der Bischofskonferenz vorhandenen Risse und Spaltungen überwinden – und danach sieht es im Moment nun wahrlich nicht aus.