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USA und Europa Den Worten müssen endlich Taten folgen

Die neue US-Administration stürzt Europa in eine beispiellose Krise. Ohne die USA steht die Sicherheitsarchitektur Europas auf dem Spiel. Kann Europa diesen epochalen Bruch als Chance betrachten?
03.03.2025, 05:00 Uhr
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Den Worten müssen endlich Taten folgen
Von Katrin Pribyl

Die Europäer haben in ihrer Sprachlosigkeit freundliche Worte für die Ukraine gefunden an diesem denkwürdigen Wochenende. Es war bewegend, wie nach dem Eklat zwischen Wolodymyr Selenskyj und den Spitzen der USA eine Welle der Solidarität in Richtung des kriegsgebeutelten Landes und dessen Präsidenten schwappte. Hinter den Kulissen jedoch herrschen Entsetzen und Ratlosigkeit. US-Präsident Donald Trump und sein Vize haben mit der Abrissbirne alte Gewissheiten abgeräumt und das transatlantische Verhältnis fürs Erste zerstört, indem sie sich auf die Seite des Diktators Wladimir Putin schlugen. Die Europäer werden als der neue Feind verachtet.

Washington diente stets als entscheidender Sicherheitsgarant für Europa. Darauf ist kein Verlass mehr. Im Gegenteil. Will man dieser Katastrophe etwas Positives abgewinnen, dann, dass der Schock über Trumps isolationistischen Kurs zumindest Klarheit bringt. Dabei stellt sich die Frage, wie die Reaktion ausfallen wird: Will man sich den Schikanen unterwerfen oder die längst überfällige Unabhängigkeit erlangen und für demokratische Werte kämpfen?

Die neue US-Administration stürzt die Gemeinschaft in eine beispiellose Krise. Ohne die USA muss sich Europa bereit machen, das scheinbar Unmögliche zu schaffen: die Ukraine retten. Dabei steht auch die Sicherheitsarchitektur Europas auf dem Spiel. Denn abgesehen davon, dass Washington der wichtigste militärische Unterstützer der Ukraine ist, steigt an der Nato-Ostflanke die Angst, dass die Abschreckung gegenüber Russland nachlassen könnte. Hinzu kommt, dass die Europäer den politischen Erpressungen von Putin ausgeliefert sind ohne den nuklearen Schutzschirm der US-Amerikaner. Trotzdem können sie diesen epochalen Bruch mit den USA als Chance betrachten.

Europas Staatenlenker sollten endlich ihren Sonntagsreden Taten folgen lassen. „Walk the talk“ (lass den Worten Taten folgen), nennen die Briten das. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte dieses Wochenende, dass die freie Welt einen neuen Anführer brauche. Das Problem ist, dass die EU niemanden hat, der mit Autorität und Mandat für das Bündnis sprechen kann. Die Gemeinschaft ist nicht dafür ausgelegt.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Schwierigkeiten, bei Trump überhaupt einen Termin zu bekommen. Zudem besitzt sie ohnehin nur Kompetenzen bei Handelsfragen. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sieht sich gerne in der Rolle des Visionärs und Entscheiders, doch sein Besuch in Washington stimmte weder Trump milde noch handelte der Franzose im Auftrag Brüssels. Und Deutschland? Bundeskanzler Olaf Scholz reiste an diesem Sonntag auf Einladung des britischen Premiers Keir Starmer zum Krisentreffen nach London – machtlos und handlungsunfähig. Während Europa dringend Führung braucht, fällt der größte Mitgliedstaat aus. Scholz‘ Worte werden kaum noch Gewicht, geschweige denn Einfluss haben.

Dass das Vereinigte Königreich bei den Krisengesprächen nach der Zeit der Brexit-Dramen wieder mit am Tisch sitzt, ist indes eine gute Nachricht. Und obwohl es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint – falls die Europäer es schaffen, einig aufzutreten und mit einer Stimme zu sprechen, können sie etwas in der neuen Weltordnung ausrichten. Denn zur Wahrheit gehört, dass die europäische Wirtschaft zehn Mal größer ist als die russische. Mit mehr Selbstbewusstsein und vor allem größerer Geschlossenheit kann der Kontinent seine industrielle und technologische Überlegenheit nutzen.

Wenn neuerdings das Recht der Stärkeren à la Trump und Putin gilt, braucht Europa Größe, Fähigkeit zur Flexibilität und Mut zur Improvisation. Dafür müsste die EU nur lernen, um die Ecke zu denken. So verschwendet die Union nur Zeit mit den üblichen Streitigkeiten, die sich am Wochenende bereits abzeichneten, da Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán wieder querschießt. Es braucht nicht gezwungenermaßen die EU, um Antworten zu liefern, sondern eine Koalition der Willigen, die bereit ist, mutige Entscheidungen in den Bereichen Sicherheit, Verteidigung, künstliche Intelligenz und Energie zu treffen. Ansonsten kann Europa in einer Welt der Tyrannen nicht bestehen.

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