Keine Frage: Der Ruf des Grundsicherungssystems für Arbeitsuchende („Hartz IV“) ist in bestimmten Kreisen der Bevölkerung ruiniert. Besonders Sozialdemokraten und Grüne hadern mit dem System, das sie 2005 selbst auf den Weg gebracht haben und überbieten sich förmlich mit neuen Vorschlägen. Aber sind diese Vorschläge vernünftig?
Die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe sollte den Verschiebebahnhof zwischen Kommunen und Arbeitsverwaltung und die unterschiedliche Behandlung von Arbeitslosen beenden. Auch ehemals Selbstständige und Berufsanfänger sollten bei Bedürftigkeit besser unterstützt werden. Beides bleibt richtig.
Wissenschaftliche Studien haben zudem gezeigt, dass es keineswegs nur Verlierer im neuen umstrittenen System gab, sondern mindestens in gleichem Umfang gab es auch Gewinner.
Gezielte Reformen statt Abschaffung
Dennoch ist der politische Handlungsbedarf nicht zu bestreiten. Aber dies heißt keinesfalls Abschaffung oder Amputation der Grundsicherung, sondern gezielte Reformen.
Langzeitarbeitslose finden auch mit höheren Leistungen nicht unbedingt und schneller eine bezahlte Arbeit, von der sie dann auch wirklich leben können. Vorrangig brauchen sie daher sozialversicherungspflichtige Jobs in einem sozialen Arbeitsmarkt, der dauerhaft und nicht nur für kurze Zeit Arbeit schafft.
Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit dem sozialen Arbeitsmarkt für über 100 000 Langzeitarbeitslose endlich ernst macht. Die vier Milliarden Euro, die das kosten wird, sind gut angelegtes Geld.
In gleicher Weise sollten die Angebote zur Qualifizierung und Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen ausgebaut werden.
In dem Zusammenhang macht es großen Sinn, finanzielle Anreize vorzusehen. Aber eins sollte weiterhin klar sein: Wer öffentliche Leistungen bezieht, muss auch seine Eigenverantwortung unter Beweis stellen. Fördern und Fordern sind „Zwillingsschwestern“ und müssen es bleiben.
Eine ganz andere Frage ist, ob die bestehende Förderpraxis sinnvoll ist, und die Sanktionen vernünftig sind. Bei beiden Themen gibt es in der Tat Reformbedarf, etwa bei der besseren Verzahnung mit kommunalen Leistungen sowie den härteren Sanktionen für junge Arbeitslose.
Unser Gastautor ist Vorstandssprecher der Landesarbeitsgemeinschaft
der Freien Wohlfahrtspflege im Land Bremen. Er war Staatsrat im Arbeitsressort und im Sozial- und Gesundheitsressort.