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Cannabis-Freigabe Drogenpolitik mit deutscher Gründlichkeit

Es gibt viele gute Gründe, Cannabis in Deutschland freizugeben. Ob die Pläne der Bundesregierung allerdings mit europäischem Recht zu vereinbaren sind, ist ungewiss. Nicht ohne Absicht, meint Felix Gutschmidt.
30.10.2022, 09:00 Uhr
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Drogenpolitik mit deutscher Gründlichkeit
Von Felix Gutschmidt

Die deutsche Sprache hat viele Synonyme fürs Kiffen hervorgebracht. Wer einen Joint rauchen, buffen, quarzen oder dampfen will, verstößt bislang gegen deutsches Recht. Dennoch tun es jeden Tag Millionen, weitgehend öffentlich und in der Regel unbehelligt. Das Gefühl, etwas Verbotenes zu machen, haben Kiffer allenfalls beim Kauf, aber nicht beim Konsum.

Es ist also nicht weiter verwunderlich, wenn die Bundesregierung mit ihrem im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vorhaben, Cannabis in Deutschland freizugeben, offene Türen einrennt. Sicher, die 39 Eckpunkte im vorliegenden Entwurf der Ampel gefallen nicht jedem. Einigen sind die Höchstmengen zu niedrig angesetzt. Der Staat schreibt den Bürgern ja auch nicht vor, wie viel Wein sie im Keller lagern dürfen. Andere sehen ein Problem in dem Vorschlag einer THC-Obergrenze für Konsumenten im Alter zwischen 18 und 21 Jahren. Eine solche Regel funktioniert nur, wenn deren Einhaltung auch kontrolliert wird. Das wiederum ist kompliziert und mit großem Aufwand verbunden.

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Nur wenige stellen das Vorhaben der Ampel grundsätzlich infrage. Dabei gibt es dafür gute Gründe. Denn die Pläne reichen weit über das hinaus, was bislang in Europa üblich ist. Die Bundesregierung will den kompletten Cannabis-Markt reglementieren vom Anbau bis zum Aschenbecher. Es ist eine Drogenpolitik mit deutscher Gründlichkeit. Feinstes Gras aus dem Alten Land, garantiert emissionsfrei hergestellt, frei von Pestiziden und am besten noch mit Bio-Siegel? Beim Gedanken daran bekommen Kiffer feuchte Augen.

Die Sache hat nur einen Haken: Der Plan der Bundesregierung ist nur mit viel gutem Willen mit internationalem und europäischem Recht vereinbar, denn der gewerbliche Handel mit Drogen gehört grundsätzlich zu den Dingen, die die Staatengemeinschaft zu unterbinden sucht. Das weiß auch die Bundesregierung. Sie hat angekündigt „eine Interpretationserklärung gegenüber den übrigen Vertragsparteien der internationalen Übereinkommen und den internationalen Drogenkontrollgremien abzugeben, nach welcher sie diese Umsetzung des Koalitionsvertrages als mit dem Zweck und den rechtlichen Vorgaben der Übereinkommen vereinbar erklärt“. Anschließend bleibt nur, auf Holz zu klopfen und zu hoffen, dass die Partner dieser Argumentation folgen. Wenn nicht, wird es wohl nichts mit der Legalisierung 2024.

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Dabei gibt es eine simple Alternative mit weniger juristischen Fallstricken: den Konsum von Cannabis und den Eigenanbau zu Konsumzwecken in Deutschland erlauben. Die Bundesregierung erwähnt diese Variante sogar im Eckpunktepapier – und verwirft sie wieder, weil sie „hinter dem Auftrag des Koalitionsvertrages zurückbleiben“ würde. Ein Schelm, wer auf den Gedanken kommt, die Ampel habe in ihr Konzept eine Exit-Strategie eingebaut, weil sie selbst erwartet, dass es Widerspruch von europäischen Partnern geben wird.

Strategisch mag das ein kluger Schachzug sein. Niemand kann später sagen, sie hätten es nicht versucht. In der Sache lohnt sich der Aufwand der Bundesregierung in Sachen Cannabis aber nicht. Es würde völlig reichen, wenn Kiffer in Deutschland selbst anbauen dürften und keine Sorge mehr haben müssten, Ärger mit der Polizei zu bekommen, wenn sie mit etwas Gras in der Tasche erwischt werden. Denn darum geht es doch am Ende: Eine beachtliche Zahl an Konsumenten in Deutschland – darunter übrigens nicht nur Musiker, sondern auch Ärzte, Anwälte und wen sich Schwiegereltern sonst noch wünschen – aus der Illegalität zu holen.

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Es geht nicht um den Jugendschutz. Der wird zwar im Kontext der Legalisierung gerne erwähnt, doch in der Realität spielt es für junge Konsumenten keine große Rolle, ob der Stoff unter das Betäubungsmittelgesetz fällt oder nicht. Wenn ein Teenager kiffen will, kommt er an die Droge, obwohl sie verboten ist. Beim für Erwachsene frei verkäuflichen Alkohol ist es ähnlich. Eigentlich sollten Jugendliche in Deutschland keine Chance haben, eine Flasche Schnaps in die Finger zu bekommen. Und doch finden Minderjährige immer einen Weg, sich die Füße rund zu trinken.

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