Als um 18 Uhr die ersten Hochrechnungen verlesen werden, ist es ganz still im Fritz-Theater. Gefasst und doch fassungslos blicken die Bremer CDU-Spitze und die beiden Direktkandidaten Elisabeth Motschmann und Bettina Hornhues dem Ergebnis auf der Leinwand entgegen. Dass es so schlecht um die bürgerlichen Parteien steht, damit hatte man auch nach den jüngsten Umfragewerten nicht gerechnet. Gerade nach dem intensiven Tür-zu-Tür-Wahlkampf hatten sich die Christdemokraten mehr erhofft. Das sah man besonders denjenigen an, die zusammen mit Motschmann und Hornhues in den vergangenen Wochen an mehr als 6500 Türen Haustüren geklingelt hatten, um für die CDU zu werben. Zwar ist in diesem Moment noch nicht klar, ob sich der Einsatz wenigstens in Bremen gelohnt hat, doch das Signal ist eindeutig.
„Die Wählerinnen und Wähler haben Angela Merkel und der CDU erneut einen klaren Regierungsauftrag gegeben. Dennoch ist das Ergebnis enttäuschend. Damit können wir nicht zufrieden sein, denn es spiegelt nicht die Leistungsbilanz der Regierung unter Angela Merkel wider", sagte der CDU-Landesvorsitzende Jörg Kastendiek zu den etwa 150 Gästen im Fritz-Theater. "Ich sehe es an Ihren Gesichtern, Sie haben sich das heute Abend anders vorgestellt. Und ich mir auch." Dass etwa eine Million CDU-Wähler zur AfD abgewandert seien, müsse seiner Partei zu denken geben. "Da müssen auch Fehler von uns gemacht worden sein."
Mit Currywurst, Pommes und Freibier wollten die Christdemokraten den Wahlabend begehen. Stattdessen mussten sie damit versuchen, einen Verlust von knapp neun Prozentpunkten zu verkraften. Elisabeth Motschmann versuchte, die Gäste mit ihrem ersten Statement nach der Hochrechnung aufzuheitern: „Wir sind deutlich stärkste Partei im Bund, das wollen wir dann doch mal festhalten. Für mich ist das Glas immer halb voll und nicht halb leer.“ Trotzdem müsse nun auch die CDU herausfinden, warum viele Wähler ihr Kreuz nicht bei den Christdemokraten, sondern bei einer anderen Partei gesetzt haben.
Das sorgt besonders am Tisch der Tisch der Nachwuchspolitiker der Jungen Union für Ernüchterung. Mit viel Leidenschaft waren sie in den vergangenen Wochen mit Motschmann-Kapuzenpullovern durch Bremen gelaufen und hatten Graffitis der Spitzenkandidatinnen auf die Straße gesprüht. Als Belohnung dafür hatten sie im Fritz-Theater nun eigentlich auf ausgelassene Stimmung und ein gutes Ergebnis gehofft – stattdessen gab es lange Gesichter. „Das ist ärgerlich, wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Energie einige von uns in den Wahlkampf gesteckt haben“, sagt Sebastian Schabbehard.
Für Jens Eckhoff, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, hat das schlechte Abschneiden der beiden Volksparteien auch mit Fehlern seiner Partei im Wahlkampf zu tun. „Wir haben in der letzten Phase des Wahlkampfes nur noch über die kleinen Parteien gesprochen und verpasst, eine klare Botschaft an die Wähler zu senden.“ Anders als einige seiner Parteikollegen bewertet er die Ankündigung der SPD, die Opposition der großen Koalition vorzuziehen, als falsch. „Damit entzieht sich die SPD der Verantwortung. Es ist nicht sinnvoll, fünf Minuten nach dem Ergebnis bereits zu verkünden, dass man nicht in die Regierung will. Darüber sollte man besser nachdenken.“ Gegenüber einer möglichen Jamaika-Koalition zeigt sich der Finanzpolitiker eher skeptisch. „Das wird Entscheidungsprozesse um ein vielfaches komplexer machen. Gerade bei Fragen der inneren Sicherheit, die die Leute mehr denn je beschäftigen. Darauf müssen wir endlich eingehen“, sagte er.
Viel mehr als das eigene Ergebnis – mit knapp 33 Prozent immerhin das schlechteste nach 1949 für die Union – schockierte viele der Anwesenden das Abschneiden der AfD. Nach Ulrike Baltrusch-Rampf, Ausschussmitglied im Beirat Vegesack, hätten viele Bürger die komplexe Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel nicht verstanden und sich deshalb im Programm der AfD wiedergefunden. Man müsse den Wählern in Zukunft noch deutlicher machen, warum es aus humanitären Gründen gar nicht anders ginge, als Menschen aus Kriegsregionen aufzunehmen. So sieht das auch ihr Tischnachbar Torsten Bullmahn, ebenfalls im Beirat Vegesack. „Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass die AfD bei der nächsten Wahl nicht mehr präsent ist“, sagte er.
Wie man mit der AfD künftig im Bundestag umgehen will, darauf hat Bettina Hornhues kurz nach der Präsentation der Ergebnisse noch keine Antwort. „Ich weiß es nicht, ob alle geschlossen den Saal verlassen oder was da das Richtige ist“, sagte die 45-Jährige. Elisabeth Motschmann ist sich im späteren Verlauf des Abends sicher: Sie will die rechte Partei wie jede andere auch behandeln. „Ich mache sie nicht zu Märtyrern. Sie sollen jetzt erst einmal beweisen, ob sie mehr als Parolen zu bieten haben.“
Mit dem Ergebnis der Bremer CDU ist die Partei nach den ersten Hochrechnungen zufrieden. „Wir sind in Bremen ein ganz schönes Stück an die SPD herangerückt, das können wir als Erfolg werten“, sagt Motschmann. Ob es am Ende für die 64-Jährige und Bettina Hornhues für einen Platz im Bundestag reicht, war bis Redaktionsschluss noch nicht eindeutig.