Es ist ein kollektives Aufatmen: Die Masken fallen, die Kontaktregeln werden gelockert, Geschäfte, Gastronomen, Veranstalter haben wieder ein Lächeln im Gesicht, die Kultur erblüht, Sport ist nicht mehr nur eine Sache für Profis, und es gibt wieder Urlaubsziele jenseits der eigenen Terrasse. Kurzum: Das pralle Leben kehrt zurück. Für Optimisten ist die Sache klar – fast ist es wieder wie vor Corona.
Die Pessimisten dagegen bleiben skeptisch. Sie warnen vor der Delta-Welle, kritisieren die um sich greifende Unvorsichtigkeit ihrer Mitmenschen, erinnern daran, dass längst noch nicht alle geimpft sind und dass ohnehin diese Pandemie nicht einfach so für beendet erklärt werden kann. Mit dem Virus leben lernen, das ist ihre ernüchternde Devise.
Gefragt, was sich nach Corona ändern werde, antwortete der französische Autor Michel Houellebecq auf seine bekannt lakonische Art: „Es wird wie vorher, nur ein bisschen schlimmer.“ Wird es tatsächlich so kommen? Werden wir nichts lernen aus dieser Pandemie, die unser Leben so sehr auf den Kopf gestellt hat, dass viele schon von einer Zeit vor Corona und einer Zeit danach sprechen?
Ein geradezu existenzielles Thema, über das der Schriftsteller und langjährige Leiter des Carl Hanser Verlages, Michael Krüger, viel nachgedacht hat. Er widerspricht Houellebecq. „Das Virus zeigt uns die Anfälligkeit des gesamten Systems. Es zwingt uns auch, über unsere Lebensformen nachzudenken“, so seine Einschätzung. Einfach nur zurück zum Leben wie es vorher war? Für Krüger ein frommer Wunsch – „Corona geht an die Wurzeln aller Gesellschaften.“ Das bedeutet für ihn in der Konsequenz: „Vielleicht waren wir Zeugen des höchsten zivilisatorischen Entwicklungsstandes, den wir vielleicht auch nur in einem Prozess über Generationen hinweg wieder erreichen werden.“
Das klingt fast noch frustrierender als der Satz von Michel Houellebecq. Soll das etwa heißen: Es geht bergab mit uns? Krüger stellt die Gegenfrage: Muss es denn wirklich wieder so werden wie vorher? Es lohnt sich, darüber mal in Ruhe nachzudenken.