Schon im März 2020, zu Beginn der Pandemie, hatte der Deutsche Ethikrat zum ersten Mal auf die Gefahr psychischer Belastung von jungen Menschen aufmerksam gemacht. Es folgten weitere Stellungnahmen und Empfehlungen, die neben der körperlichen Gesundheit auch das psychische Wohlergehen in das Zentrum der Pandemiebekämpfung rückten. Gut zweieinhalb Jahre später soll nun eine "Ad-Hoc-Empfehlung" diesen Appellen noch mehr Nachdruck verleihen.
Am Montag legte der Ethikrat in Berlin elf Handlungsempfehlungen vor mit der Forderung, dass die junge Generation dringend in den Blick genommen werden müsse. "Aufmerksamkeit, Beistand und Unterstützung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in und nach gesellschaftlichen Krisen" lautet der Titel des Empfehlungspapiers. Dem vorausgegangen war ein Austausch mit etwa 350 Schülern, die dem Aufruf "Triff den Ethikrat! Unser Leben in der Pandemie" gefolgt waren. "Vereinsamung, Isolation, Angst und übermäßiger Medienkonsum" – die jungen Menschen bestätigten das, was Studien der vergangenen zwei Jahre ergeben hätten, sagte die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx. Neu seien die Inhalte nicht, aber wir wollen "ein bisschen Wumms geben".
Mit Blick auf die aktuelle Energiekrise, die womöglich kalte Klassenzimmer und ein Zurück zur digitalen Lehre zur Folge hat, sei die "existenzielle Frage der Krise selbst" wichtig, so Petra Bahr, Mitglied des Ethikrats. "Wir müssen auf den seelischen Druck auch durch andere Krisen hinweisen." Dabei sei wichtig, dass die Einzelnen nicht mit ihrem Leiden allein gelassen werden. "Wir als Gesellschaft tragen Verantwortung für die negativen Folgen der Pandemiebewältigung", betonte Buyx.
Ihr geht es auch um die in den Medien geäußerten Forderungen nach einer Entschuldigung für das späte Handeln des Ethikrates. Der fühle sich nicht schuldig; richtig sei aber, dass er seinen Ratschlägen nicht den nötigen Nachdruck verliehen habe. Buyx beklagte, dass der Ethikrat das "Verhältnis von Infektionsschutz und gerechter Teilhabe" nicht habe ausgleichen können. Junge Menschen hätten nicht genug im Fokus gestanden. Zwar habe der Ethikrat die Politik darauf hingewiesen, das solidarische Verhalten und Zurückstecken junger Menschen während der Pandemie mehr zu würdigen. Aber: "Es gab nie so richtig eine Zeit in der Gesellschaft, in der wir heilen konnten."
Damit sich der Zugang zu psychologischer Beratung und Therapieplätzen bessere, Hilfsangebote mehr vernetzt würden, Familien und Schulen und die Betroffenen selbst mehr einbezogen würden, müssten alle politischen Akteure schnellstmöglich handeln, so Buyx. "Wir hoffen, dass unser Appell in guten Händen ist."