Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Psychisch erkrankte Eltern in Delmenhorst "Mamas Monster" besser verstehen

Corona ist belastend, für Eltern mit psychischen Problemen gilt das umso mehr. Das Gruppenangebot "Kidstime" soll es in Delmenhorst den Kindern leichter machen, Krankheiten wie eine Depression zu verstehen.
26.05.2021, 14:50 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Björn Struß

Corona ist für jede Familie eine Belastungsprobe, unter dem eingeschränkten Betrieb von Schulen, Kitas und Sportvereinen leiden die jüngsten Mitglieder der Gesellschaft am stärksten. Noch komplizierter ist es, wenn Eltern an psychischen Problemen leiden, etwa regelmäßig mit Depressionen zu kämpfen haben. "Die Reaktionen darauf sind ganz unterschiedlich. Manche Kinder machen verstärkt auf sich aufmerksam, wollen etwa mit Aggressionen ein Ende der Antriebslosigkeit erzwingen", berichtet Kristina Taeger. Sie arbeitet für "Plan A", einem freien Träger für ambulante Kinder- und Jugendhilfe. Die pädagogische Bereichsleiterin setzt sich dafür ein, Kindern von Eltern mit psychischen Erkrankungen in Delmenhorst mit einem neuen Gruppenangebot zu helfen. "Kidstime" könnte spätestens im Oktober die Arbeit aufnehmen, 90 Prozent der Kosten würde der Bund zahlen. Voraussetzung ist aber eine Entscheidung des Stadtrats, der Jugendhilfeausschuss berät am Donnerstag, 27. Mai, über das Thema.

Die Vorlage der Stadtverwaltung zeichnet ein alarmierendes Bild der Lage. Laut aktuellen Schätzungen leben in Deutschland 3,5 Millionen Kinder unter 18 Jahren, deren Eltern eine psychische Erkrankung haben. In Delmenhorst sind etwa 3500 Kinder und Jugendliche betroffen. Der Allgemeine Soziale Dienst schreibt in seiner Darstellung: "Mehrere Studien und Statistiken weisen einen erheblichen bundesweiten Anstieg von psychischen Erkrankungen bereits vor Covid-19 auf. Die Dunkelziffer ist sehr wahrscheinlich hoch. Es ist bekannt, dass die Pandemie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem weiteren erhöhten Anstieg an psychischen Erkrankungen führen wird und es bereits tut."

"Eine verlässliche Bezugsperson"

Zu dieser Einschätzung ist die Stadtverwaltung bei der Auswertung eines bestehenden Angebots gekommen: dem Patenschaftsmodell. Dabei vermittelt Plan A geschulte Paten für Kinder mit psychisch erkrankten Eltern. "Die Kinder brauchen eine gesunde, verlässliche Bezugsperson", erklärt Kristina Taeger. Sie koordiniert die Patenschaften im Großraum Oldenburg. In Delmenhorst sind es aktuell sechs. "Besonders hilfreich ist das, wenn es bei Alleinerziehenden zu einem Klinikaufenthalt kommt", erklärt Taeger. Auch das Patenschaftsmodell sei vor etwa zehn Jahren mit einer Förderung durch den Bund in Delmenhorst angelaufen. Inzwischen sei es ein fester Bestandteil des sozialpsychiatrischen Netzwerks.

Laut Taeger ist es bei den Kindern weit verbreitet, dass sie sich selbst für die psychischen Probleme der Eltern verantwortlich machen. "Warum ist Mama so traurig? Habe ich mich falsch verhalten? Diese Fragen gibt es oft", berichtet die Pädagogin. Wirkungsvoll sei es hier, Wissen über die Erkrankung zu vermitteln. Taeger weiter: "Auch für kleine Kinder gibt es da sehr gute Bücher, die dann zum Beispiel von 'Mamas Monster' sprechen." 

Pizza essen als Teil des Konzepts

Dieses kindgerechte Wissen soll auch das neue Gruppenangebot Kidstime vermitteln. Es richtet sich an die gesamte Familie, pro Monat soll sie sich einmal für drei Stunden intensiv mit den Problemen auseinandersetzen. "Der Vorteil ist, dass wir so viele Familien gleichzeitig ansprechen können", erklärt Taeger. Laut Konzept sind es bis zu 15 pro Jahr. Auch Pizza essen ist in den Ablauf integriert, um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. "Die Kinder sollen merken, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind, dass es anderen Familien genauso geht", sagt Taeger.

Das Konzept Kidstime gibt es bereits seit den 1990er-Jahren, im März 2015 fand es durch entsprechende Workshops in Rotenburg Wümme seinen Weg nach Deutschland. Aktuell gibt es das Angebot an 17 Standorten in ganz Deutschland. Die Bundesregierung hat für die Finanzierung 750.000 Euro bereitgestellt. Das Geld verteilt sich auf drei Jahre und auf die beteiligten Kommunen. Der Eigenanteil von zehn Prozent läge für Delmenhorst bei 1500 Euro pro Jahr, ab dem vierten Jahr müsste die Stadt für eine Fortführung die Gesamtkosten von 15.000 Euro alleine tragen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)