"Wir werden einander verzeihen müssen.“ Dieser Satz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird immer wieder zitiert, wenn es um die Corona-Politik der Bundesregierung geht. Angesichts des Chaos, das Bund und Länder seit mehr als einem Jahr verursacht haben, müssten sich Ressort- und Länderchefs quasi täglich bei den Bürgern entschuldigen. Für nicht eingehaltene Zusagen und schlecht verhandelte Verträge, für Maskendeals und unverständliche Lockdown-Pläne. Für das ewige Hinterherhinken hinter den lebenspraktischen Herausforderungen.
Dass die politischen Vertreter nach mehr als einem Jahr der Pandemie selbst vor der aktuellen Ministerpräsidentenkonferenz mit jeweils neuen und anderen Vorschlägen zur Impfpriorisierung oder den Rechten für vollständig Geimpfte um die Ecke kamen, ist frustrierend. Zwar haben sich an diesem Montag Bund und Länder darauf geeinigt, die Rechte von Geimpften regeln zu wollen. Das Ganze war aber vorab flankiert von wahltaktischen Manövern.
Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) generös forderte, die eng mit dem Deutschen Ethikrat abgestimmte Impfpriorisierung aufzuheben, wünschte sich sein Konkurrent Armin Laschet (CDU) die Gleichstellung von Geimpften und Genesenen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) wiederum forderte die Gleichstellung sowohl von Genesenen und Geimpften wie von Getesteten. Für die öffentliche Darstellung eigener politischer Tatkraft packt jeder gerne noch eine Schippe obendrauf.
Tatsächlich jedoch geht es im Kampf gegen Corona um Orientierung und Organisation, um gute Vorbereitung. Also um Arbeit, die beizeiten von den Verwaltungen beim Bund und in den Ländern erwartet werden darf. Vor allem jedoch geht es um Lösungen. Wenn vor jedem dieser Treffen die Teilnehmer so tun, als hörten sie von der Problemstellung zum ersten Mal, leidet das ohnehin arg angekratzte Vertrauen der Bürger weiter. Letztlich geht es um gesellschaftlichen Frieden. Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten sind gut beraten, sich zeitnah auf ein gemeinsames Regelwerk zu einigen.