Ein Traumstart war das nicht: Erst im zweiten Wahlgang wurde Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch als Ministerpräsident des Landes Brandenburg wiedergewählt. Das macht schlaglichtartig deutlich, wie fragil das bundesweit erste Bündnis aus SPD und BSW ist. Und wie fragil es auch in Zukunft sein wird: Gerade einmal zwei Stimmen Mehrheit hat man gegenüber der Opposition – es müssen also eigentlich immer alle Abgeordneten mitziehen, will Woidke mit eigener Mehrheit den Haushalt, ein Gesetz oder auch nur einen Antrag durch den Landtag bringen.
Natürlich, in Brandenburg kennt man sich: Viele BSW-Vertreter sind im Land schon lange politisch aktiv. Fraktions- und Landeschef Robert Crumbach war jahrzehntelang Mitglied der SPD, die neue Gesundheitsministerin Britta Müller war noch 2019 gesundheitspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten. Die SPD koaliert im Land nicht nur mit früheren Linken, sondern vor allem auch mit früheren Sozialdemokraten. Mit „Fleisch vom eigenen Fleisch“.
Das könnte dazu beitragen, dass sich auch ein Regierungsbündnis, das nur über eine knappe Mehrheit verfügt, über die Zeit retten kann. Zumal die SPD am 22. September eines ihrer besten Brandenburger Wahlergebnisse seit den 1990er-Jahren eingefahren hat und das Bündnis Sahra Wagenknecht in der Wählergunst derzeit nicht mehr zulegt.
An einem wie auch immer gearteten Koalitionsbruch hat in Brandenburg garantiert niemand Interesse: Denn so viele Abgeordnete wie heute würde man nach eventuellen Neuwahlen ganz sicher nicht mehr stellen. Aber welche Konsequenzen hat es nun, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht erstmals in einem deutschen Bundesland an der Regierung beteiligt ist?
Eine bundespolitische Revolution wird es in Brandenburg nicht geben. Sicher, im Brandenburger Koalitionsvertrag steht nun, dass man die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen kritisch sieht. Aber für die Außen- und Sicherheitspolitik sind in Deutschland auch weiterhin nicht die Länder verantwortlich. Und in Brandenburg dürfen solche Raketen sowieso nicht stationiert werden: Das verbietet der zur Wiedervereinigung mit den Siegermächten geschlossene Zwei-plus-Vier-Vertrag.
Schwieriger könnte da schon das Verhältnis zum Brandenburger Nachbarland Polen werden: Denn das BSW übernimmt in Zukunft auch das Brandenburger Europa-Ministerium. Wie die osteuropäischen Partnerregionen des Landes darauf reagieren, wird man abwarten müssen. Für das BSW könnte die Regierung in Brandenburg jedenfalls zu einem wichtigen Lackmustest werden.
Gelingt es hier, und erreicht man in den nächsten Jahren anschauliche Ergebnisse, könnte das Land zwischen Havel und Oder zu einem Beispiel dafür werden, dass man auch in anderen Bundesländern mitregieren kann. Dass man nicht nur Mehrheitsbeschaffer einer Minderheitsregierung, wie in Sachsen, oder Teil einer überparteilichen Koalition gegen die AfD, wie in Thüringen ist, sondern auch in einem ganz klassischen Zweierbündnis Akzente setzen kann. Zum Beispiel in der Bildungs- oder in der Gesundheitspolitik, die sich das BSW im Wahlkampf besonders auf die Fahnen geschrieben hatte.
Doch in den nächsten Monaten wird es immer wieder Sollbruchstellen geben. Gespannt sein kann man, wie sich das Land verhalten wird, wenn etwa im Bundesrat eine Resolution zur Unterstützung der Ukraine abgestimmt wird. Gespannt sein kann man, wie und an welchen Stellen sich die immer angespanntere Haushaltslage in den nächsten Jahren bemerkbar machen wird. Und gespannt sein kann man auch, was passiert, wenn das Bündnis Sahra Wagenknecht im kommenden Jahr dann doch den Wiedereinzug in den Bundestag verfehlen sollte, wie es etwa das Meinungsforschungsinstitut Forsa derzeit voraussagt.
Wird man dann in den Ländern zum Angriff übergehen, oder begnügt man sich mit der Rolle einer ostdeutschen Regionalpartei ohne Perspektiven? Dietmar Woidke kann es drehen und wenden, wie er will: Am Ende wird das erste Regierungsbündnis von SPD und BSW in Deutschland eine Zitterpartie bleiben.