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Streit über das Bürgergeld Am Ende wird es einen Kompromiss geben

Die Debatte ums Bürgergeld zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und Arbeitsministerin Bärbel Bas ist mehr Schein als Sein. Beide Parteien spielen wegen der Kommunalwahlen in NRW auf Zeit, meint Markus Peters.
04.09.2025, 05:00 Uhr
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Am Ende wird es einen Kompromiss geben
Von Markus Peters

Viel Lärm um wenig: Die Aufregung um das jüngste Wortgefecht zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) um die Zukunft des Sozialstaats war reichlich übertrieben. Das Duell war eher der Rolle der beiden Kontrahenten als Vorsitzende ihrer jeweiligen Parteien geschuldet. In dieser Funktion hatte Friedrich Merz nämlich auf dem Landesparteitag der CDU Niedersachsen vor zehn Tagen das Kriegsbeil ausgegraben, als er ankündigte, er wolle es der SPD bei der Reform der Sozialsysteme "bewusst nicht leicht machen". Und: "Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar." Eine Aussage, die in dieser Form nicht mit den Verabredungen des Koalitionsvertrags im Einklang steht.

Korrekt hätte der Kanzler formulieren müssen: "Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, muss reformiert werden, damit er mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, finanzierbar bleibt." Hat er aber nicht. Deshalb nahm die Arbeitsministerin und SPD-Parteivorsitzende das zum Anlass, um auf der Landeskonferenz der nordrhein-westfälischen Jusos in Gelsenkirchen die Worte des Regierungschefs als "Bullshit" zu bezeichnen. Das war drastisch und einem friedlichen Koalitionsklima nicht zuträglich.

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Zwar richteten sich beide Aussagen zunächst an die eigene Basis, die unter anderem für die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen mobilisiert werden soll. Im bevölkerungsreichsten Bundesland steht insbesondere für die SPD viel auf dem Spiel. Da kann man derzeit eine Debatte über Einschnitte ins soziale Netz gar nicht gebrauchen. Auch vor diesem Hintergrund muss der Kraftausdruck der SPD-Vorsitzenden verstanden werden.

Das weiß auch Friedrich Merz. Die Tatsache, dass er sich vor der Sitzung von Kabinett und Koalitionsausschuss mit seiner Ministerin noch zum Essen verabredete, zeigt, dass das Verhältnis der beiden nicht nachhaltig beschädigt ist. Viel schwieriger ist für Bas jedoch, dass Merz ihr die Zielvorgabe mit auf den Weg gegeben hat, zehn Prozent – etwa fünf Milliarden Euro – beim Bürgergeld einzusparen.

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Dass dies angesichts der zuletzt gestiegenen Arbeitslosenzahlen schwer werden könnte, machte Bas beim Koalitionsausschuss am Mittwoch deutlich. Denn faktisch gibt es nur einen einzigen Weg, um Kosten zu senken: Es muss gelingen, mehr Bürgergeldempfänger in Arbeit zu bringen. Alle anderen Wege sind kompliziert. Denn im Gegensatz zu den großmäuligen Ankündigungen mancher Unionspolitiker ist es rechtlich kaum möglich, die Unterstützung für Totalverweigerer komplett zu streichen. Ohnehin dürfte das in Summe wenig bringen, weil diese Fallzahlen nicht besonders hoch sind.

Das soll allerdings kein Grund sein, sich dieser Frage nicht zu nähern. Aus der Praxis ist längst bekannt, dass sich manche Verweigerungshaltung in nicht wahrgenommenen Terminen beim Jobcenter äußert. Bas hat schon angekündigt, dass sie in diesem Bereich künftig härter durchgreifen will. Was das im Ergebnis an Einsparungen bringen wird, lässt sich nur schwer vorhersagen.

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Auch eine Kürzung der Regelsätze ist faktisch kaum möglich. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist die Ermittlung des Bedarfs beim Bürgergeld kein Ergebnis der politischen Willensbildung. Der Satz wird auch nicht ausgewürfelt, sondern ist das Resultat eines komplizierten Berechnungsprozesses. Deshalb ist es kein Skandal, dass die Sätze nach einer kräftigen Erhöhung im Jahr 2024 (zwölf Prozent) nun bereits im zweiten Jahr hintereinander stagnieren, sondern Statistik.

Doch dadurch wird der Anstieg allenfalls gebremst, eingespart wird nichts. Verschärfungen sind dagegen bei den Wohnkostenzuschüssen zu erwarten. Dort werden die Jobcenter auf Dauer die hohen Zuzahlungen nicht mehr leisten können. Doch auch dafür muss erst ein Alternativangebot an bezahlbarem, sozialem Wohnraum geschaffen werden. Der fehlt – gerade in Großstädten – an allen Ecken und Enden.

Welche Kürzungen sich die Koalition beim Bürgergeld auch einfallen lassen mag: Fest steht, am Ende wird es einen Kompromiss geben. Der allerdings wird erst im Laufe des Herbstes entwickelt. Bis dahin haben sich beide Seiten vorgenommen, hart in der Sache, aber friedlicher im Umgang zu sein.

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