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Kommentar über die Linkspartei Zu gespalten und personenfixiert

Für die Linkspartei geht es bei der Bundestagswahl um die Existenzfrage. Umfragen sehen sie bei sechs Prozent. Und von ihren beiden Spitzenkandidaten ist kein großer Schwung zu erwarten, meint Anja Maier.
08.05.2021, 05:00 Uhr
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Von Anja Maier

Wenn die Linkspartei am Montag ihre beiden Spitzenkandidaten bekannt gibt, wird es kaum überraschte Gesichter geben. Schon seit Tagen gilt als ausgemacht, wer in die Bundestagswahl führen soll: der langgediente Fraktionschef Dietmar Bartsch und die neue ­Parteivorsitzende Janine Wissler. Scheinbar bringt die Linke mit dieser Personalentscheidung gleich mehrere Anforderungsprofile unter einen Hut: alt und jung, Erfahrung und Erneuerung, Mann und Frau, Ost und West, Bundes- und Landeskompetenz, Reformer und Ultra. Besser könnte das Angebot an die der Linken zugeneigten Wählerschaft kaum sein.

Doch gerade diese nahezu perfekten Voraussetzungen lässt das grundsätzliche Problem der Linkspartei umso deutlicher hervortreten. Es ist die Frage nach der Wählbarkeit, also nicht weniger als die nach der politischen Relevanz im 21. Jahrhundert. Die Linke im Bund könnte bei der Wahl dasselbe Schicksal ereilen wie die FDP im Jahr 2013: Sie würde vom Must-have- aufs Nice-to-have-Niveau herabgestuft. Am Ende könnten ihr die entscheidenden Stimmen zum Fünfprozent-Ergebnis und damit zum Wiedereinzug als Fraktion fehlen.

Die FDP – als alte bundesdeutsche Institution – hatte seinerzeit den Schock gespürt und ihre vier Jahre außerparlamentarischer Opposition zur inneren Reform genutzt. Die Linke aber, die inklusive ihrer Vorläuferpartei PDS erst seit drei Jahrzehnten im Bundestag vertreten ist, würde wahrscheinlich im politischen Nirwana verschwinden. Zu gespalten ist sie intern, zu personenfixiert, dabei zu wenig wirtschafts- und klimakompetent, als dass sie eine Auszeit von vier Jahren überbrücken könnte.

Entsprechend angespannt ist man in diesen Wochen in Partei und Fraktion. In aktuellen Umfragen liegt die Partei bei bedenklichen sieben bis bedrohlichen sechs Prozent. Das ist ein Minus von vier Prozentpunkten zur Wahl 2017. Es könnte also knapp werden. Hinzu kommt, dass neben dem machtbewussten Parteikämpen Dietmar Bartsch diesmal Janine Wissler vorne steht. Die 39 Jahre alte Hessin ist zwar freundlich und redegewandt. Aber sie hat bei Weitem nicht die Zugkraft einer Sahra Wagenknecht, die auf viele Menschen eine starke Faszination ausübt und der sie bereit sind zuzuhören – und sie gegebenenfalls auch zu wählen.

Während Wagenknecht ihr neues Buch bewirbt, in dem sie Vertreter der eigenen Partei als „Wohlfühl-Linke“ schmäht, die lieber identitätspolitische Debatten führten, statt über Umverteilung zu sprechen, kämpfen ihre Genossinnen und Genossen um jede Wählerstimme. Über die Fünfprozenthürde hieven könnte sie am Ende ein machttaktisches Planspiel: eine Koalition mit den Grünen und der SPD. Interessanterweise werden Wissler und ihre Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow immer wieder gefragt, ob sie die Partei in Regierungsverantwortung führen wollen. Während die Thüringerin offensiv für „R2G“ eintritt, also Rot-Rot-Grün, fällt bei der Hessin Wissler die Antwort darauf eher verdruckst aus.

Tatsächlich ist eine solche Koalition äußerst unwahrscheinlich. Nach anderthalb Pandemiejahren dürften sich die Wählerinnen und Wähler eine Regierungskoalition herbeiwählen, die in Einigkeit losarbeiten könnte, statt erst einmal eine Gruppentherapie zu brauchen. Nicht umsonst halten sich die SPD – und noch mehr die Grünen – sehr zurück, wenn es um Grün-Rot-Rot geht. Die SPD, weil sie als ehemalige Volkspartei erst einmal mit einer Juniorpartnerschaft klarkommen muss. Die Grünen, weil sie die Linken nur als Notnagel verstünden, sollte es nicht mit der Union – und nötigenfalls der FDP – klappen.

Die Zukunft der Linken könnte letztlich in Ostdeutschland entschieden werden. Während die Partei im Westen als Splittergruppe traumatisierter SPDler und Gewerkschafter wahrgenommen wird, ist sie im Osten von der erstarkenden AfD herausgefordert. Wo sich die Rechtspopulisten raumgreifend präsentieren und die Grünen als Windradprofiteure gelten, setzen die Wähler lieber ihr Kreuz bei einer Partei, die gezeigt hat, dass sie Opposition kann, aber dabei nicht verächtlich auftritt.

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