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Bürgerrat Ernährung Empfehlungen werden bisher nicht umgesetzt

Der Bürgerrat "Ernährung im Wandel" fordert die Umsetzung seiner Empfehlungen. Ein Protestbrief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) zeigt Unmut über mangelndes Engagement.
06.11.2024, 05:00 Uhr
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Von Markus Peters

Im Februar hat der Bürgerrat "Ernährung im Wandel" mit insgesamt 160 ausgewählten freiwilligen Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet ein Gutachten mit neun Empfehlungen der Politik vorgelegt. Passiert ist bisher nichts. Das sorgt bei einem Teil des Kreises für Ärger. 28 Frauen und Männer aus dem Kreis des Bürgerrates haben nun einen Protestbrief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) geschrieben: "Wir wünschen uns, dass die Fraktionen des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode ziel- und ergebnisorientiert zusammenarbeiten, um eine teilweise Umsetzung unserer Empfehlungen, die nicht zwingend Steuergelder in Anspruch nehmen, zu realisieren", heißt es in dem Schreiben, das dem WESER-KURIER vorliegt. "Die Einführung einer Altersgrenze von 16 Jahren für die Abgabe von Energydrinks könnte zum Beispiel relativ zeitnah umgesetzt werden."

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Aber auch andere Empfehlungen hatte der Bürgerrat gegeben. So zum Beispiel die Forderung nach einem kostenlosen Mittagessen für Kinder in Kitas und Schulen. Ein Tierwohllabel soll künftig nach den Vorstellungen der Teilnehmer Geburt, Aufzucht, Haltung, Transport und Schlachtung abbilden. Wegfallen könnte nach den Vorstellungen des Rats die Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse aus der Europäischen Union in Bio-Qualität sowie für Hülsenfrüchte wie Erbsen, Nüsse, Vollkorngetreide und Mineralwasser. Zucker sollte dagegen nicht mehr als Grundnahrungsmittel gelten und künftig mit 19 Prozent besteuert werden. Auch in Krankenhäusern, Rehakliniken und Pflegeeinrichtungen müsse auf eine ausgewogene Ernährung geachtet werden, so die Bürger.

"Die Empfehlungen des Bürgerrates sind sehr detailliert und sehr gut durchdacht. Die Teilnehmer haben es verdient, dass ihre Vorschläge umgesetzt werden", sagt Peggy Schierenbeck, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Weyhe und Berichterstatterin für ihre Partei im Ernährungsausschuss. Warum das bisher nicht so geklappt hat wie erhofft, dafür hat Schierenbeck eine einfache Erklärung: "Dass wir bisher so wenig davon umgesetzt haben, liegt auch an der FDP, die an zentralen Punkten auf der Bremse steht. So zum Beispiel lehnen die Liberalen die Anhebung der Altersgrenze für Energydrinks oder die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Zucker ab. Und das, obwohl Kinderärzte und Ernährungsberater bei uns täglich auf der Matte stehen und uns bedrängen, die Vorschläge endlich umzusetzen."

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Ulrike Harzer, FDP-Obfrau im Ausschuss, erklärt die Weigerung ihrer Partei, die Empfehlungen des Rates in Sachen Energydrinks umzusetzen: "Jedes Produkt birgt bei übermäßigem Konsum ein Gesundheitsrisiko. Deshalb sollten auch Energydrinks verantwortungsvoll konsumiert werden. Ich halte nichts von pauschalen Verbotsfantasien, sondern eher von Aufklärung. Denn ein Verbot würde dazu führen, dass vor allem Jugendliche die legalen Produkte nicht mehr in den regulären Verkaufsstellen kaufen, sondern bei möglicherweise dubiosen Händlern im Internet. Verbote schränken hier in der Regel nicht den Konsum ein, sondern die Sicherheit des Konsums."

Nicht unterzeichnet haben das Schreiben der 28 Frauen und Männer die beiden Bremer Teilnehmer an dem Gremium, Detlef Saraktsanis und Nicola Willkeit. Sie wurden von den Initiatoren nicht gefragt. "Mir war von vornherein klar, dass es in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nichts mit der Umsetzung der Empfehlungen wird", sagt Detlef Sarakatsanis. "Das ist uns im Vorfeld auch von vielen Politikern so erklärt worden", sagt der 76-Jährige aus Oberneuland. Zum Teil liege das an den unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund und Ländern, aber in einigen Fragen auch am fehlenden Geld. "In der Politik muss man eben dicke Bretter bohren", betont Sarakatsanis, hofft aber trotzdem, dass vielleicht in der kommenden Legislaturperiode "die Hälfte der Vorschläge umgesetzt wird".

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Skeptischer blickt Nicola Willkeit in die Zukunft. "Nein, ich rechne nicht damit, dass von unseren Vorschlägen noch etwas umgesetzt wird", so die IT-Administratorin aus Findorff. "Ich bin schon ein wenig frustriert, weil ich eine Menge Zeit, Arbeit und Energie in den Bürgerrat gesteckt habe." Die schleppende Umsetzung sei auch der Grund dafür, warum sie sich in der Zwischenzeit zurückgezogen habe. Die Teilnehmer des Bürgerrates haben nämlich das Recht, weiterhin die Arbeit des zuständigen Fachausschusses zu verfolgen, und sie können sich als sachkundige Bürger bei den Sitzungen in Berlin auch zu Wort melden.

Verärgert reagiert auch der Vorsitzende des Ernährungsausschusses des Deutschen Bundestages, Hermann Färber (CDU), auf die schleppende Umsetzung der Empfehlungen: "Aus meiner Sicht ist der Bürgerrat zu Recht verärgert. Offensichtlich ist sich die Ampel-Koalition über die Umsetzung nicht einig und deshalb drohen die Empfehlungen in einer Schublade zu verschwinden. So sollten wir mit dem Bürgerrat nicht umgehen."

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"Sollte keine der neun Empfehlungen aufgegriffen und realisiert werden, so würde dies das Vertrauen in das Instrument und allgemein die Demokratie beschädigen", schreiben die 28 Teilnehmer des Bürgerrats. Peggy Schierenbeck kann den Ärger nachvollziehen: "Die Worte der Verfasser des Briefes sind vielleicht etwas zu hoch gehängt. Es gibt natürlich keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass das Parlament die Empfehlungen auch umsetzt. Gleichzeitig aber haben wir den Bürgerrat ja bewusst mit dem Ziel eingesetzt, dass er uns Vorschläge macht, die wir dann auch aufgreifen wollen. Den Frust kann ich daher verstehen."

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