Zwei Wochen vor der Bundestagswahl konnten die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen bei einer weiteren Fernsehdebatte versuchen, Wähler von sich zu überzeugen. Wie haben sich Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet geschlagen? Eine Einzelkritik.
Olaf Scholz gibt den Macher
von Anja Maier
Gemessen an der ansonsten stets mittleren Temperiertheit des SPD-Kanzlerkandidaten zeigte Olaf Scholz bei diesem Triell geradezu starke Gefühle. Ob Wirecard, Cum-Ex oder Geldwäsche – immer wieder musste er sich gegen die Angriffe von Armin Laschet wehren. Dieser versucht, Scholz als unseriösen Umverteilungs-Politiker zu markieren.
Klug nutzte Scholz jedoch seine Position als Vizekanzler und Finanzminister und verweist darauf, wofür die Große Koalition in den letzten acht Jahren Geld ausgegeben hat. Ob beim Thema Digitalisierung, beim Wohnungsbau, der Gesundheit-, Renten- oder Steuerpolitik – Scholz trat als Macher auf. Mit ihm als Kanzler, so sein Versprechen, werde das Land mit ruhiger Hand regiert und das die Steuermilliarden klug zusammengehalten.
Sein Vorbild ist deutlich erkennbar Angela Merkel.
Annalena Baerbock ergreift mehrere Chancen
von Michael Brandt

Viel Blau, wenig Überraschendes: Olaf Scholz (links, SPD) und Armin Laschet (rechts, CDU) hören Annalena Baerbock (Grüne) zu.
In den ersten Minuten machte es den Eindruck, als könnte Annalena Baerbock (Grüne) im Triell durch das Gegeneinander von Olaf Scholz und Armin Laschet ins Hintertreffen geraten. Zudem war die Anspannung spürbar. Letztlich gelang es ihr aber, die Sendung in mehrfacher Hinsicht zu nutzen.
Sie platzierte eine Reihe von verbindlichen Aussagen, zum Beispiel sprach sie sich für eine Impfpflicht bestimmter Berufsgruppen aus. Auch für ein Verbot, Immobilien mit Bargeld zu kaufen, um so Geldwäsche zu verhindern. Zugleich ergriff sie die Chance, die ihr der Wahlkampf aus der Opposition heraus bietet: die Regierung für ihre bisherigen Versäumnisse zum Beispiel bei der Bewältigung der Pandemie zu kritisieren und einen Krisenstab zu fordern. Demonstrativ schloss sie bei ihren Angriffen den möglichen Bündnispartner Scholz nicht aus.
Armin Laschet (CDU) fehlt der Punch
von Norbert Holst
Es hat nicht gereicht. Armin Laschet präsentierte sich erneut recht kämpferisch, doch nicht so gekünstelt angriffslustig wie vor zwei Wochen. Beim Thema Geldwäsche/Razzia im Finanzministerium konnte Laschet seinen Hauptkontrahenten Olaf Scholz sogar ein wenig in die Ecke zu treiben – doch ein Lucky Punch gelang ihm nicht.
Blass sah der CDU-Politiker beim Thema Rente aus. Er beließ es bei der vagen Aussage, man müsse "über ein neues Rentensystem nachdenken". Der Aachener schwächelte auch, als Scholz ihm vorwarf, keinen Plan beim Klimaschutz zu haben, zum Beispiel bei der Deckung des zusätzlichen Strombedarfs.
In seinem Schlusswort konnte Laschet mit einem Seitenhieb auf die Grünen punkten: Mit ihm als Kanzler werde es keine Verbotsgesellschaft geben, versicherte er.
Fazit: Eine Debatte ohne Überraschungen
von Silke Hellwig
Blau, überall Blau: das TV-Studio von Blau dominiert, die Kandidaten und Moderatoren in Blau gekleidet. Damit liegt man nie falsch, damit riskiert man nichts – und ebenso plätscherte die TV-Debatte dahin.
Was kann man auch erwarten? Bei den zentralen Themen dieser Wahl gibt es keine große Auswahl: mögliche Koalitionspartner, Pandemie, Digitalisierung, Klimaschutz, Fachkräftemangel, Steuern, Zuwanderung – durchweg Einladungen an die Kandidaten, bekannte Positionen abzuspulen. Zugegeben, Armin Laschet gab sich kämpferisch, Olaf Scholz geradezu temperamentvoll, Annalena Baerbock irgendwas dazwischen. Die Moderation: blass und steif mit vielen Worten.
Die ARD hatte die Elefantenrunde zum „vielleicht entscheidenden Schlagabtausch“ hochgejubelt. Überraschungsmomente waren angekündigt worden. Damit muss das undefinierbare Gerumpel im Studio ganz am Anfang gemeint gewesen sein.