Vermutlich sind sie auch noch mächtig stolz darauf in den Finanzämtern Bremens und Niedersachsens: Immerhin vier von fünf Grundstücksbesitzern hatten bis zum Fristende am 31. Januar ihre „Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts“ abgegeben. Von ihnen wiederum kamen auch noch 84 Prozent ganz wie gewünscht auf elektronischem Wege, beim einfacheren niedersächsischen Verfahren waren es sogar 91 Prozent. Das Volk spurt eben doch, wenn die Zwangsgeld-Peitsche knallt. Vater Staat hat sich als durchsetzungsstark und handlungsfähig erwiesen.
Wirklich? Für diesen Befund müsste man schon ausblenden, dass allein im Nordwesten immer noch mehr als 800.000 Erklärungen „erwartet werden“, wie es leicht beschönigend im Bremer Finanzressort heißt. In der Woche nach Fristende sind übrigens in beiden Ländern 49.247 Erklärungen nachgekleckert. Bleibt es bei dem Tempo, wäre man also in 16 Wochen – so um den 1. Juni – wirklich komplett. Angesichts dessen kann man eine Münze werfen, ob der bayerische Alleingang bei einer zweiten Fristverlängerung nun Ausdruck von Resignation oder tiefer Einsicht in die Realitäten war.
Keineswegs unrealistisch ist jedenfalls die Annahme, dass man längst nahezu 100 Prozent der Daten zusammengetragen haben könnte, wenn die Behörden – allen voran Finanz-, Melde- und Grundbuchämter – einfach mal untereinander kommuniziert hätten. Das aber ist scheinbar auch im zunehmend digitalen 21. Jahrhundert von der deutschen Bürokratie zu viel verlangt.
Diese an staatliche Selbstaufgabe grenzende Unfähigkeit und Ineffizienz wird in Bremen auf die Spitze getrieben: Hier können Behörden nicht einmal mit sich selbst kommunizieren. Da wird man in der Grundsteuererklärung, die man ja für das Finanzamt ausfüllt, nach Steuernummer und Identifikationsnummer gefragt. In der siebenseitigen Anleitung – allein deren Umfang lässt schon das Ausmaß der Zumutung ahnen – heißt es dazu: „Die Steuernummer und die Identifikationsnummer können Sie z.B. dem letzten Einkommensteuerbescheid entnehmen“. Und der stammt vom Finanzamt.
Das Perfide an dieser millionenfachen Bürgerbelästigung besteht darin, dass vermeintlich einfache Auswege angeboten werden, die sich am Ende als Sackgassen erweisen. „Für Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen sowie unbebaute Grundstücke steht Ihnen ein vereinfachter Online-Service zur Verfügung“, heißt es leutselig auf der Homepage des Bremer Finanzsenators. Gleich darunter prangt der Link zur „Grundsteuererklärung für Privateigentum“. Die hat das Bundesministerium der Finanzen erschaffen und preist sie als „Schnell. Unkompliziert. Kostenlos.“
Das stimmt – für den Eingangsfragebogen, für das Einrichten des Kontos und sogar noch bedingt für das Ausfüllen des eigentlichen Formulars. Bis man am Ende nachweisen muss, dass man auch der- oder diejenige ist, für die man sich hier ausgibt. Wo einst die Unterschrift reichte, braucht es nun die BundesIdent-App, entwickelt von der DigitalService GmbH des Bundes. Die befindet sich immer noch im Beta-Stadium, ist also nicht fertiggestellt. So wird die zum Betrieb notwendige PIN per Papierpost zugestellt, was bis zu drei Wochen dauert – ab dem Dreikönigstag war das Ding also für kooperative, um Pünktlichkeit bemühte Bürger nutzlos.
Ausrede Datenschutz
Die faulste Ausrede dafür, dass sich Behörden nicht mit anderen Behörden austauschen, lautet: Datenschutz. Um herauszufinden, wie groß der eigene Grund exakt ist, bietet Bremen den „Flurstückviewer“ an, erschaffen vom Landesamt GeoInformation. Damit kann jede und jeder nachschauen, wie groß jegliches Grundstück in Bremen ist. Man muss bloß wissen, wer wo wohnt, braucht aber nicht selbst Grundstückeigentümer zu sein. Nur im Finanzamt darf man das wohl nicht wissen.
Dort schlägt man sich jetzt mit jenen Erklärungen herum, die fehlerhaft oder unvollständig ausgefüllt wurden – und fragt dann doch beim Grundbuchamt nach. Absehbar wird auch jemand klagen, etwa wegen der unterschiedlichen Länderstandards. Hoffentlich bis vors Bundesverfassungsgericht, wo alles seinen Anfang nahm.