Die Reaktion kam prompt: Nur wenig Stunden nach dem viel beachteten Urteil hat Finanzminister Olaf Scholz eine Steuerreform für die Zeit nach der Wahl angekündigt. Auf diesem Wege will der SPD-Kanzlerkandidat Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entlasten – also genau jene, die nach Einschätzung des Gerichts in den kommenden Jahren Gefahr laufen, durch die zunehmende Besteuerung der Renten benachteiligt zu werden.
Scholz Ankündigung ist wohlfeil. Erstens, weil sie zwingend ist, denn der Bundesfinanzhof hat der Politik genau dies aufgetragen: Weder der Grundfreibetrag noch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sollen in Zukunft in die Berechnung des steuerfreien Anteils der Rente einbezogen werden dürfen. Und zweitens, weil Scholz im Herbst zwar Kanzler werden will, dies aber nach jetzigem Stand kaum realistisch ist.
Ohnehin helfen bei dieser komplizierten Thematik keine schnellen Versprechungen, sondern nur eine sorgfältige gesetzgeberische Korrektur der 2005 eingeführten nachgelagerten Besteuerung. Erneut hat ein Gericht der Politik einen ganzen Katalog an Aufgaben mit auf den Weg gegeben, damit aus der Rentenbesteuerung nicht das wird, was sie jetzt noch nicht ist: ein genereller Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und damit verfassungswidrig.
Die Betonung liegt auf „noch nicht“. So klar nämlich das Gericht die beiden Klagen auch abgewiesen hat, in Zukunft könnten sie Erfolg haben. Die Gefahr einer doppelten Besteuerung besteht nach Einschätzung des obersten Finanzgerichts gerade bei späteren Rentenjahrgängen sowie bei Rentnern, die selbstständig waren. Auch werden Männer aufgrund ihrer kürzeren Lebenserwartung stärker betroffen sein als Frauen; Ledige wiederum stärker als Verheiratete.
Sicherheitshalber haben bereits 142.000 Rentnerinnen und Rentner Einspruch gegen ihren Steuerbescheid eingelegt. Der Druck auf den Gesetzgeber, Doppelbesteuerung zu verhindern, wächst. Die Politik muss also schnell handeln. Eines der ersten Themen der neuen Bundesregierung ist mit diesem Urteil gesetzt; ganz egal, welche Koalition sie stellt.