Dies ist keine weitere Intifada, sondern ein neuer Nahostkrieg. Für den jüdischen Staat ist er noch bedrohlicher als der Jom-Kippur-Krieg 1973: Der Feind ist aufs Kernland vorgedrungen und er kämpft – anders als Ägypten und Syrien vor 50 Jahren – konsequent und skrupellos mit terroristischen Methoden.
Dutzende, wenn nicht Hunderte Geiseln, Zivilisten wie Militärs, erschweren den Israelis die Gegenschläge erheblich. Sie müssen im Gazastreifen mit chirurgischer Präzision vorgehen, um die verschleppten eigenen Staatsbürger nicht zu gefährden – während die islamistische Terrortruppe Hamas ihr Flächenbombardement Israels mit Raketen und Drohnen immer noch fortsetzen kann.
Denn Gaza ist ein extrem dicht besiedelter urbaner Albtraum, den die hier herrschende Hamas auch noch im Wortsinn mit einer Unterwelt versehen hat: Kilometerlange Tunnel verbinden Befehlsstände, Depots und vermutlich auch Lazarette. Aus der Luft ist das kaum aufzuklären, und jedes Eindringen birgt das Risiko hoher Verluste. Die sind auf israelischer Seite schon jetzt immens – auch im Vergleich zum Krieg 1973.
Offensichtlich ist zudem, dass Israels legendäre Geheimdienste und militärische Aufklärung eklatant versagt haben. Doch für eine detaillierte Analyse dieser Abwehrschwäche ist jetzt überhaupt keine Zeit. Ron Prosor, Israels Botschafter in Deutschland, machte aber deutlich, dass man sich bei dieser unangenehmen Aufgabe nicht schonen werde – nach dem Ende der Kampfhandlungen.
Niemand kann sagen, ob sich dieser Nahostkrieg wie alle seine Vorgänger durch eine relative Kürze auszeichnen wird. Dagegen spricht, dass es für Israel jetzt nicht „nur“ um relative Ruhe vor Anschlägen geht, sondern um seine Existenz als Staat. Dessen völlige Vernichtung – und kein Deut weniger – ist das Ziel der Hamas. Ebenso der schiitisch-islamistischen Hisbollah, die prompt mit dem Segen ihrer Schutzmacht Iran vom Norden, vom Libanon aus angreift.
Es ist der pure Hass, der mit Antizionismus nur verniedlichend umschrieben wäre. Auf Videos in den sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie ein entfesselter Mob in Gaza mit Fäusten auf tote oder halbtote Israelis eindrischt, die auf der Ladefläche eines Pick-ups liegen. Manche der Täter tragen palästinensische Polizeiuniformen. Seit Bildung der Einheitsregierung aus Hamas und Fatah vor gut neun Jahren, die eindeutig von der Hamas dominiert wird, erweist sich die Zwei-Staaten-Lösung als Utopie: Friedliche Koexistenz ist nicht möglich, wenn der eine Nachbar die Existenz des anderen beenden will. Etwa, um den Tempelberg in Jerusalem endlich als garantiert judenfreie Zone zu etablieren.
Israel hat bislang alle Mehrfrontenkriege wenigstens überstanden. Doch da waren die Gegner reguläre Armeen, ausgerüstet mit qualitativ unterlegenen Panzern und Kampfjets, zudem in der Regel deutlich schlechter ausgebildet und geführt als die Israelis. Jetzt kamen Tausende todesbereite religiöse Fanatiker, die einfach möglichst viele Juden umbringen oder kidnappen wollen, und die dabei von einer weitreichenden Raketenartillerie unterstützt werden.
Das war im Prinzip 2008, 2012, 2014 und zuletzt 2021 nicht anders, aber die Dimension hat sich dramatisch verändert. Früher reagierte Israel stets mit massiven Militärschlägen im Gazastreifen, die aber nie nachhaltig waren – siehe die Lage heute. Statt einer geschlagenen Hamas gab es Bilder von zerstörten Häusern, verwundeten und toten Palästinensern, militanten wie echten Opfern. Die Häuser wurden auch mit freundlicher Unterstützung der EU wiederaufgebaut, sodass sich die Hamas weiter aufs Raketenbauen konzentrieren konnte.
Die nun allenthalben geäußerte Solidarität mit Israel sollte sich darin manifestieren, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Statt Gaza weiter zu pampern, sollte Europa diesen pseudo-humanitären Part doch einfach den Sponsoren der Terroristen überlassen – schöne Grüße nach Katar. Vielleicht denkt man zudem mal daran, dass die Hamas 2006 im Gazastreifen genau so demokratisch gewählt wurde wie Adolf Hitler 1932 in Deutschland. Unterschiedliche Ideologien, gewiss, aber doch Brüder im Ungeist.