Das ist schon eine kleine Palastrevolution: Nach 13 Jahren stürzen die Abgeordneten von CDU und CSU ihren Fraktionschef Volker Kauder. Bemerkenswert: Die Fraktion entfernt einen Merkel-Getreuen aus dem Spitzenamt und ersetzt ihn durch einen Mann, der weder als politisches Schwergewicht noch als Revoluzzer gilt.
Ralph Brinkhaus schien im Vorfeld der Wahl chancenlos gegen den alten Haudegen Kauder zu sein. Das Programm des Westfalen: Nach 13 Jahren mit Kauder brauche es neue Köpfe, frische Ideen und überhaupt einen Aufbruch. Kauder, der die Unionsfraktion mit eiserner Hand geführt hat, wurde nun zum Blitzableiter. Dabei hatten sich die Kanzlerin, CSU-Parteichef Horst Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt für die Wahl Kauders stark gemacht. Doch Merkel und Co. haben die Dinge offenbar nicht mehr so im Griff wie noch in der vergangenen Legislaturperiode.
In den ersten Reaktionen zeigte sich die Überraschung der Parteispitzen über den Wahlausgang – und auch ein Stück weit Hilflosigkeit. Merkel pries die Entscheidung als „Stunde der Demokratie“. Davon habe es, so würden einige Parlamentarier der beiden C-Parteien ihr antworten, in den vergangenen Jahren tatsächlich zu wenig gegeben. Seehofer erklärte, nun gelte es das Ergebnis zu respektieren. Ja, was denn sonst? Im fernen Kiel sprach der junge CDU-Ministerpräsident Daniel Günther aus, was wirklich die Botschaft ist: Kauders Ablösung sei ein Ventil für Unzufriedenheit gewesen. Dieses Ventil hieß Brinkhaus.
Viele der christdemokratischen und christsozialen Abgeordneten schieben Frust. CDU und CSU verlieren in Umfragen an Boden, eine klare Handschrift der Union ist in der Großen Koalition selbst mit bestem Willen nicht zu erkennen, Seehofer tanzt der Kanzlerin auf der Nase herum, und interne Zusammenschlüsse wie „Werteunion“ oder „Union der Mitte“ müssen sich herbe Kritik gefallen lassen. Kommt nun die Kanzlerin-Dämmerung? Nein, noch hält die Fraktion an Merkel fest. Doch ihr Fundament bröckelt. Sie droht mehr und mehr Macht zu verlieren.