Es geht längst nicht mehr nur um den einen von 63 Punkten, bei dem die Bundeskanzlerin sich nicht ihrem Innenminister beugen will. Obwohl der es in sich hat: Wenn auch das stärkste EU-Land in der Flüchtlingspolitik den nationalen Weg beschritte, verlöre die Staatengemeinschaft weiter an Kraft. Aber vor allem dokumentiert die Regierungskrise die stetige Entfremdung zweier Parteien. Angela Merkel hat die CDU in die Mitte der Gesellschaft geführt – sie hat Frauen stark gemacht, die Wehrpflicht ausgesetzt, den Atomausstieg beschleunigt, die Ehe für alle ermöglicht. Manches geschah aus taktischem Kalkül, aber alles mit dem strategischen Ziel, die stärkste politische Kraft zu bleiben.
CSU sucht Heil im Nachplappern von AfD-Parolen
Die Merkel-CDU bediente sich bei den Themen der SPD und der Grünen, während sie sich immer stärker von der CSU entfernte. Und die sucht nun vor der Landtagswahl in Bayern ihr Heil darin, die Parolen der AfD nachzuplappern. Aber in dieser Krise steckt wohl auch ein Aufbegehren der Männer. „Ich kann mit dieser Frau nicht mehr arbeiten“, soll Horst Seehofer gesagt haben. „Diese Frau“, die „Mutti“, wie sie auch geschmäht wird, hat es eben zu vielen Männern gezeigt. Aber man sollte sich nicht täuschen: Wenn die Koalition zerbräche, hätte Angela Merkel den Auftrag zur Regierungsbildung.
Soll doch die CSU die Gemeinschaft mit CDU verlassen. Die CSU stellt 46 Bundestagsabgeordnete, ohne sie fehlten der CDU-SPD-Koalition mit 353 Mandaten nur ganze zwei Sitze zur absoluten Mehrheit. Die Vertrauensfrage dürfte Angela Merkel überstehen können, und vielleicht ließen sich die Grünen als Unterstützer oder Koalitionspartner gewinnen. Und die CSU wäre auf dem Weg zur bundespolitischen Bedeutung einer Regionalpartei vom Schlage des Südschleswigschen Wählerverbands.