Es gibt bahnbrechendere Erkenntnisse als die Tatsache, dass es an Autobahnen laut ist. Oder an Bahnstrecken. Oder in Einflugschneisen von Flughäfen. Dennoch kommen kommunale Verwaltungen dieser Tage wieder regelmäßig zu diesem recht vorhersehbaren Schluss. Denn um die Lärmbelastung für Anwohner so gering wie möglich zu halten, verpflichtet die Europäische Union Kommunen per Umgebungslärmrichtlinie, sogenannte Lärmaktionspläne aufzustellen. In entsprechenden Karten werden so größere Lärmquellen etwa durch Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr erfasst. Am Ende müssen die Gemeinden jedoch viel Lärm für recht wenig Ertrag machen.
Wenig überraschend ist es vor allem an Hauptverkehrsadern laut. So musste etwa die Stuhrer Verwaltung alle Straßen in ihrem Gemeindegebiet, die mit mehr als drei Millionen Fahrzeugen pro Jahr frequentiert sind, auf Lärmbelastung untersuchen. Der örtliche Stadtplaner im Rathaus, Christian Strauß, brachte das Dilemma während der jüngsten Sitzung des Bauausschusses auf den Punkt: "Damit fällt ein Großteil der Gemeindestraßen schon raus." Befahren genug sind für die Analyse nur die Autobahnen 1 und 28 sowie drei Bundes- und zwei Landesstraßen, um beim Beispiel Stuhr zu bleiben – allesamt Straßen außerhalb des kommunalen Zuständigkeitsbereichs. Auch die Rathäuser in Syke und Weyhe hatten jüngst die Ehre, ihrerseits einen Lärmaktionsplan zu erstellen – das Ergebnis und das Kopfschütteln fiel dort ähnlich aus.
Fatale Folgen von Dauerschallbelastung
Nun gut, das Ansinnen ist lobenswert: "Lärm ist jedes unerwünschte laute Geräusch", heißt es vom Bundesgesundheitsministerium. Lärm wird allerdings auch unterschiedlich wahrgenommen: Während einer die Soundanlage aufdrehen kann, dass die Fensterscheiben wackeln, nimmt ein anderer bereits leise Musik als störend wahr. Beim Verkehrslärm ist sich die Mehrheit jedoch einig: Weniger ist mehr. "Ziel der EU-Umgebungslärmrichtlinie ist es, schädliche Auswirkungen durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu mindern", schreibt dazu das Bundesumweltministerium. Denn Lärm macht erwiesenermaßen krank, die Folgen sind fatal. Wer einen lärmbedingten Gehörschaden davonträgt, kann sich schon einmal von der Hörfähigkeit seiner jungen Tage verabschieden: "Zerstörte Haarzellen wachsen nicht nach, ein lärmbedingter Hörschaden ist also nicht heilbar", warnt das Umweltbundesamt.
Dass Dauerschallbelastung ein Problem ist, hat die EU somit richtig erkannt. Die Umsetzung konkreter Schutzvorkehrungen lässt jedoch einmal mehr zu wünschen übrig. Denn das Problem wird von oberster politischer Ebene bis nach ganz unten zu den Kommunen durchgereicht, die am Ende zusehen dürfen, wie sie zurechtkommen. Die ohnehin teils überlasteten Stadt-, Gemeinde- und Samtgemeindeverwaltungen investieren Zeit und Geld in die Erstellung von Lärmaktionsplänen, haben jedoch wenig Handhabe zur Beseitigung, wenn sie die Lärmherde identifiziert haben. Kurz: Bund und Land unterhalten laute Straßen und lassen die Kommunen mit dem Lärm allein. Der Gemeinde Stuhr antwortete die Autobahn GmbH des Bundes, sie werde "vorgeschlagene Maßnahmen mittelfristig im Sanierungsprogramm berücksichtigen" und es bestehe keine Dringlichkeit für Lärmschutzvorkehrungen wie etwa Umgehungsstraßen oder den Einbau von Flüsterasphalt. Das ist übrigens Amtsdeutsch für: "Jaja, mache ich später, irgendwann oder gar nicht."
Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Quetschen sich weniger Autos durch Ortsdurchfahrten, die beispielsweise als Bundesstraße deklariert sind, sinkt nicht nur die Lärmbelastung. Mit Umgehungsstraßen verbannen Bund oder Land neben der Geräuschkulisse auch die Feinstaubbelastung auf die andere Seite der Ortsgrenzen. Das steigert die Luftqualität im Ort und spart Verkehrsteilnehmern überdies das Hoppeln von Ampel zu Ampel. Und das gilt nicht nur für Strecken, die für einen Lärmaktionsplan betrachtet werden. Darin fallen nämlich alle Straßen durchs Raster, die mit weniger als drei Millionen Fahrzeugen pro Jahr belastet sind. Laut werden kann es aber auch dort. Wenn die Kommunen aber mit dem Lärmaktionsplan schon Schwachstellen aufdecken, sollten Bund und Länder auch der Verantwortung für ihre Straßen nachkommen.