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Berlin Autonomes Fahren – eine Spielwiese für Juristen

Berlin. Die Geschichte des Automobils ist bisher nicht geschrieben worden. Denn sie hat, entgegen anderslautenden Behauptungen, noch gar nicht begonnen.
13.03.2016, 00:00 Uhr
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Autonomes Fahren – eine Spielwiese für Juristen
Von Christian Bommarius

Die Geschichte des Automobils ist bisher nicht geschrieben worden. Denn sie hat, entgegen anderslautenden Behauptungen, noch gar nicht begonnen. Zwar versichern Historiker ebenso wie Autobauer, seit 1886 der mit einem Verbrennungsmotor betriebene Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 des deutschen Erfinders Carl Benz über die Straßen knatterte und Bertha Benz 1888 zwischen Mannheim und Pforzheim die erste Fernfahrt eines Autos hinter sich brachte, habe das Automobil mit alsbald rasender Geschwindigkeit die Welt erobert. Aber das ist eine kühne Behauptung, die nur derjenige bestätigen wird, der als entscheidendes Begriffsmerkmal des Automobils genügen lässt, dass es von Dampf, Öl, elektrischer Energie oder Benzin angetrieben, also nicht von einem Pferd gezogen wird. In diesem Fall aber wäre der Begriff des „Motorrads“ auch für vierrädrige Wagen treffender. „Automobil“ ist eine Kombination des griechischen Wortes „autós“ (selbst) und des lateinischen „mobilis“ (beweglich), aber selbstbeweglich war das Auto nie, vielmehr ist es bis heute dem Willen seines Fahrers unterworfen.

Das ist demnächst vorbei. „Der Fahrer hat die Kontrolle über seinen Wagen verloren.“ Der Satz, der bisher ausschließlich der Beschreibung einer Unfallursache diente, ist heute das gemeinsame Ziel der Autobranche. Die Degradierung des Fahrers zum Fahrgast, der außer der Angabe des Reiseziels nichts mehr zu sagen hat, ist beschlossene Sache. Zwar wird es noch zwei oder drei Jahrzehnte dauern, bis das vollständig autonome Fahren in jeder Situation und auf jeder Straße möglich ist, aber schon heute versuchen die Hersteller, den Umstieg vom Fahren auf das Gefahrenwerden den Kunden als ultimativen „Fahrspaß“ zu verkaufen, als Erfüllung einer Vision, mit der endlich das Zeitalter der Kutsche – ob vom Pferd gezogen oder angetrieben von Benzin – zu Ende gehe.

Manche sprechen von einer Revolution, andere von Evolution – fest steht, dass die Automatisierung den motorisierten Individualverkehr stärker verändern wird als jede andere Technologie zuvor. Das Versprechen lautet, Autofahren werde damit sicherer und umweltfreundlicher. Zugleich bedeutet die Entwicklung die Entstehung rechtlicher Probleme, die bisher nicht einmal alle erkannt, jedenfalls aber nur unbefriedigend gelöst sind.

Für Juristen eröffnen sich auf Jahre hinaus unendliche Weiten grundlegender Rechtsprobleme. Zwar verspricht die Industrie absolute Sicherheit, aber jeder weiß, dass es sie nie geben wird. Wer also haftet , wenn es mit einem selbstfahrenden Auto kracht? Der Fahrer, der kaum noch am Fahrgeschehen beteiligt ist? Die Probleme dürften schon mit der Feststellung beginnen, ob es sich um einen individuellen Fahrfehler gehandelt hat – falls der Fahrer eingegriffen haben sollte– oder um einen vom Hersteller verursachten Systemfehler oder um einen vom Fahrzeughalter nicht behobenen Systemfehler. Das ließe sich vermutlich mit den Daten ermitteln, die das selbstfahrende Auto unentwegt sendet und empfängt.

Die Frage ist nur, wem die Daten gehören. Das müsste der Halter oder der Fahrer des Wagens sein, aber darf dann die Polizei die Daten zur Aufklärung eines Unfalls konfiszieren und die Versicherung die Herausgabe verlangen? Auch im Strafrecht wird es schwierig. Zwar dürfte der Fahrer strafrechtlich verantwortlich sein, wenn der Unfall dadurch verursacht wurde, dass der Fahrer schuldhaft – also fahrlässig oder vorsätzlich – Warnsignale des Systems übersehen und nicht reagiert hat. Andererseits lautet doch das Versprechen, dass der Fahrer entlastet werden soll – das dürfte kaum gelingen, wenn er mit einer Verurteilung rechnen muss, falls er dem Versprechen bedingungslos glaubt.

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