Alles zu wollen, das ist ein weit verbreiteter Wesenszug. Bei Menschen ohnehin, doch mitunter findet er sich auch in den Modellpaletten der Autohersteller. Nach Art einer stillschweigenden Übereinkunft manifestieren sich allumfassende Ansprüche an Karosserie und Optik dort seit einiger Zeit im Namenszusatz „All“: Mercedes schuf vom T-Modell der C- und E-Klasse den All-Terrain, im Fall von VW fuhren Golf und Passat Variant als Alltrack vor und bei Audi wurden A4 und A6 Avant zum allroad.
Hinter allen steht der Gedanke, zur Abwechslung mal kein SUV zu bauen, sondern eine Kombikarosserie so aussehen zu lassen, als ob sie bei allem Nutzen und Komfort auch ein bisschen SUV könnte. Gesellschaft bekommen jene All-Stars unter den Kombinationskraftwagen nun aus der Kompaktklasse: Mit dem jüngsten Facelift hat Audi seine A3-Reihe um den – da haben wir es wieder – allstreet erweitert.

Wozu die ganzen Offroad-Beigaben am Audi A3 allstreet gut sind? Am Ende vor allem für das Gefühl, ziemlich trendy und mit ein wenig mehr Bodenfreiheit unterwegs zu sein. Letztere erleichtert aber tatsächlich ein wenig den Ein- und Ausstieg in den Kompakten.
Auf 4,35 Metern Länge ist er eine gleichermaßen gefällige wie auffällige Möglichkeit, den Ingolstädter Beitrag zur Golf-Klasse unter die Fittiche zu nehmen. Das Ganze beginnt mit einer gewissen Bockigkeit, nämlich jenen 15 Millimetern, die das Fahrwerk im Vergleich zum standardmäßigen A3 Sportback hochgebockt wurde. Im Zusammenspiel mit einem größeren Reifendurchmesser führt das am Ende zu gut 15 Zentimetern Bodenfreiheit. Die qualifizieren den allstreet zwar nicht für tiefgründige Feld-Wald-Wiesen-Abenteuer, sorgen aber für eine leicht erhöhte Sitzposition samt Bequemlichkeitsplus beim Ein- und Ausstieg.
Auch mangels der grundlegenden Option auf Allradantrieb, die erst für 2025 angedacht ist, bleibt der Audi so ein Fall vor allem für den Asphalt, wenn auch mit der Qualifikation als Schlechtwegevariante. Offroad-Beigaben wie der angedeutete Unterfahrschutz, die kunststoffbeplankten Radhäuser und die dunklen Schwellerleisten erfüllen vor allem optische Zwecke und verschaffen dem allstreet einen stämmigen Auftritt. Der wird durch den im Vergleich zur übrigen A3-Familie vergrößerten Kühlergrill in Wabenstruktur ebenso verstärkt wie durch die serienmäßige Dachreling. Der Gesamteindruck: ziemlich trendy.

Nein, dies ist kein gewöhnlicher A3 – davon zeugt neben allen anderen Designmerkmalen auch die serienmäßige Krönung des A3 allstreet mit einer Dachreling.
Beim Innenraumdesign dagegen hat sich Audi noch nie zur Verspieltheit hinreißen lassen, sondern stets auf technokratische Coolness gesetzt – und ist diesem Weg bei der Modellpflege des A3 treu geblieben. Das Cockpitdisplay mit den vorbildlich klar gezeichneten digitalen Rundinstrumenten steht für sich und ist strikt vom breiten Zentralmonitor für Infotainment und Fahrzeugbedienung getrennt. Die verbindende Armaturenlandschaft wiederum gefällt durch einen abwechslungsreichen, wertigen Mix aus Kunststoff- und Klarlackoberflächen sowie Metallapplikationen. Das kann sich sehen lassen.
Ganz im Gegensatz zum klassischen Wählhebel für das DSG: Der ist nämlich gar nicht mehr zu sehen, weil von der Mittelkonsole verschwunden. Seine Aufgabe übernimmt fortan ein schnöder Schieber, als Konzernstandard aus vielen Modellen der markenreichen VW-Familie bekannt. Das verschafft der Fläche zwischen Sitzen zwar einige Aufgeräumtheit und ist funktional kein Nachteil, darf von Traditionalisten mit Hang zur Ästhetik dennoch beklagt werden. Schließlich haben sie sich in Ingolstadt stets mehr als anderswo darauf verstanden, so formschöne wie handschmeichelnde Wählhebel zu gestalten.

O ja, das schaut auch nach der Modellpflege der A3-Reihe gut aus: Der Innenraum ist übersichtlich und klar strukturiert, der Materialmix wertig. Traditionalisten werden beklagen, dass der wunderbare Wählhebel für das DSG auf der Strecke geblieben ist und durch einen vergleichsweise schnöden Schieber auf der Mittelkonsole ersetzt wurde.
Was dem A3 geblieben ist: ein weitgehend eigenständiges Bediensystem, das weniger streng auf physische Tasten verzichtet als etwa ein VW Golf. Womit den Audi-Käufern jene Ärgernisse etwa über die unzuverlässige Software und funktionale Eigenarten erspart bleiben, die bei den Verwandten von VW, Škoda und Seat mitfahren. So findet sich der Fahrer nach kurzer Eingewöhnung weitgehend rätselfrei zurecht und kann sich auf das Stück Technik konzentrieren, das ihn letztlich voranbringt: den Antrieb. Der hat beim allstreet stets 110 kW (150 PS) Leistung, wahlweise erzeugt vom Benziner mit der Bezeichnung 35 TFSI oder dem Diesel 35 TDI.
Letzterer bedingt mit seinen glatten 41.000 Euro Grundpreis zwar einen ordentlichen Aufschlag gegenüber dem Kollegen Otto (als Handschalter ab 35.400 Euro), empfiehlt sich dank 360 Nm Drehmoment aber als angenehmer, weil schubkräftiger Partner. Das Doppelkupplungsgetriebe sortiert die sieben Gänge flott, wobei der Sportmodus, bei Audi „Dynamic“ genannt, eher verzichtbarer Natur ist. Er lässt den gut gedämmten Vierzylinder zwar noch williger Gasbefehle umsetzen, das aber um den Preis, dass die Fahrstufen, quasi stets angriffsbereit, lange gehalten werden. Länger und auf einem höheren Drehzahlniveau jedenfalls, als man es sich im entspannten Alltag zumuten würde.

Sie haben die Wahl: Fünf Fahrprogramme machen dem 110 kW starken Selbstzünder im 35 TDI auf unterschiedliche Weise Beine.
Besser also die Wahl der Fahrcharakteristik an die Elektronik per Einstellung „Auto“ delegieren – oder es gleich bei „Efficiency“ belassen. Denn der Sparmodus dämpft das Temperament des allstreet in vertretbarem Ausmaß, drückt aber den Verbrauch. Im Testmittel landete der 35 TDI bei 5,6 Litern pro 100 Kilometer – was selbst dann beruhigende 800 Kilometer Reichweite sichert, wenn der 50-Liter-Tank nicht bis zum letzten Tropfen ausgereizt wird.
Eher keine Paradedisziplin des Grenzgängers zwischen den Welten: der Fahrkomfort. Gerade mit den optionalen 19-Zoll-Felgen – glanzgedreht, aber auch für glänzende 2240 Euro extra – rollt der allstreet mit einer Straffheit all seiner Wege, die alsbald den Wunsch aufkommen lässt, der Zielkonflikt zwischen Dynamik und Komfort wäre anders gelöst worden.
Aber es muss ja noch Luft nach oben bleiben. Weil alles zu wollen und alles zu können am Ende doch zwei verschiedene Paar Schuhe sind.