Mit ihrem ersten eigenständigen Modell hat Seats Submarke einen Hingucker gelandet. Der Formentor bedient zeitgemäße Crossover-Ansprüche, dazu gibt es einen kräftigen Spritzer Sportlichkeit. Seine Leistung an sich ist imposant, doch imponiert vor allem, wie pfleglich der Cupra damit im Alltag umzugehen weiß.
Halbe Sachen – mit denen haben sie sich bei Cupra lange genug herumgeschlagen. Wobei lange in diesem Zusammenhang der falsche Begriff ist. Korrekt müsste es heißen: den Großteil einer kurzen Geschichte. 2018 war es, als Seat – im Reigen der VW-Töchter für Modelle mit sportlichen Akzenten zuständig – aus seiner Produktlinie Cupra eine eigenständige Submarke machte. Mit individuellem Auftritt und Logo, nur eben ohne wirklich eigene Modelle. Zwar durfte das Kompakt-SUV Ateca nun als Cupra Ateca mit mächtig viel Leistung in die Welt hinaus, später folgte der Cupra Leon – doch es waren und blieben nun einmal modifizierte Seat-Typen. Halbe Sachen eben. Das hat sich erst mit dem Formentor geändert.

Es ist ein Crossover geworden: Der Formentor mischt munter das trendige SUV-Format mit einer abfallenden Dach- und ansteigenden Seitenlinie, dazu ein Schuss Sportwagen. Fertig!
Benannt nach dem Cap Formentor am nördlichsten Zipfel Mallorcas, stellt er so etwas wie die eigentliche Cupra-Geburtsstunde dar. Seit vergangenem Herbst verkörpert er auf 4,45 Metern Länge das Selbstbewusstsein der Marke: Schaut mal alle her, wir sind nicht bloß ein Zweitverwerter, sondern können auch selbst was auf die Räder stellen. Und wie. Denn dabei wurde aus dem Vollen geschöpft.
Denn während Ateca und Leon letztlich die spanischen Versionen Wolfsburger Ursprungsmodelle sind, ist der Formentor nichts als der Formentor – frei von verwandtschaftlichen Zwängen. Herausgekommen ist, ganz dem Zeitgeist folgend, ein scharf gezeichnetes Crossovermodell. Ein bisschen SUV, natürlich, soll der Formentor sein, dazu ein Schuss Coupé.
Ein bisschen Sportwagen ist der Formentor auch – auf hohen Beinen
Die Dachlinie fällt daher nach hinten deutlich ab, während die Seitenlinie zur C-Säule hin zugleich ansteigt. An der Heckpartie wirkt der Einzug durch beachtliche Sicken über den Radläufen optisch zudem jedem Verdacht entgegenwirken, dieser Cupra könnte irgendwie in das bei SUV so beliebte Kastenformat abdriften. Denn der Formentor soll ja zugleich auch Sportwagen sein. Aber einer auf höheren Beinen, versteht sich.
Die Qualifikation für diesen Anspruch sichert der Vierzylinder-TSI aus dem Konzernregal. In seiner stärksten Ausbaustufe haben die Ingenieure dem Zweiliter nicht weniger als 228 kW/310 PS abgerungen, die mit maximal 400 Nm Drehmoment auf den Antriebsstrang einwirken. Das klingt gewaltig, ist es im Prinzip auch – und fühlt sich doch ganz anders an. Denn tatsächlich benimmt sich der Cupra im Alltag: erstaunlich unspektakulär. Jedenfalls viel unspektakulärer, als es der Anblick der vier Endrohre, die aus der Heckschürze hervorlugen, vermuten lässt.

Auf und davon: Wenn gewünscht, macht sich der Cupra mit der stärksten Ausbaustufe des 2.0 TSI in 4,9 Sekunden auf den Weg zur Marke von Tempo 100.
Dieser Formentor – dem eine limitierte Auflage namens VZ5 mit Fünfzylinder und nochmals 80 Mehr-PS folgt – gibt sich eher gezähmt. Dafür sorgt die Komfortstellung der fünf Fahrmodi; die heißt nicht nur so, sondern lässt den 1,7-Tonner tatsächlich so leise wie kultiviert und komfortabel durch die Gegend rollen. Das DSG wechselt dann mit einer Unauffälligkeit durch seine sieben Fahrstufen, dass man dem Spanier die unter fünf Sekunden, die für den Sprint auf Tempo 100 verstreichen sollen, nicht recht abnehmen mag. Kann er das wirklich?
Er kann es. Dazu bedarf es der Anwahl des Modus Sport oder der höchsten Eskalationsstufe, die der Einfachheit halber gleich mal Cupra heißt. Das Ganze geht entweder über den zentralen Bedienmonitor vonstatten oder aber das, Achtung, Supersportmultifunktionslenkrad. Das hat nicht nur hervorragender Griffigkeit und eine Bezeichnung mit sehr vielen Buchstaben, sondern unterhalb der linken Lenkradspeiche auch den sogenannten Mode Selector. Der verkürzt den Weg in die elektronische Steuerzentrale zur Abstimmung von Lenkung, Motoransprache, Sound und den serienmäßigen Adaptivdämpfern ungemein. Nicht wirklich nötig, aber eine hübsche Spielerei.

Bitte genau hinsehen: Der Knopf unterhalb der linken Speiche des, Achtung, Supersportmultifunktionslenkrads macht den Weg zur Anwahl der Fahrmodi zum Fingerstreich.
Ausdauernde Experimente mit der zusätzlich eingeimpften Sportlichkeit verlieren indes schnell an Reiz. Weil der TSI dann zwar mit beachtlicher Vehemenz voranstürmt und auf der Autobahn im Handumdrehen an Tempo gewinnt, dabei aber ins rabaukige Schauspielfach wechselt. Das Fahrwerk behält zwar seinen mehr als nur ordentlichen Federungskomfort, Motor und Getriebe wirken beim längeren Halten der Drehzahlen nunmehr aber unnötig nervös. Untermalt wird das Ganze durch einen künstlich erzeugten Sound, der zwar kernig klingt, aber nun mal synthetisch ist und bleibt. Irgendwie will dieses Motorgeräusch nie so richtig passen.
Knapp 45.000 Euro für 310 PS und Allrad – das ist mal eine Ansage
Es steht auch insofern im Widerspruch zum großen Rest, weil beim Formentor ansonsten sehr viel passt. Denn echte Blößen gönnt sich dieser erste reine Cupra nicht – der Innenraum ist hübsch ausstaffiert, die verwendeten Materialien sind dem Anspruch angemessen und verfolgen konsequent das Spiel mit den kupferfarbenen Designelementen der Marke. Die Sportschalensitze spannen die Frontpassagiere gut, aber nicht übertrieben fest ein; es stört nicht mal, dass es ihnen an einer verstellbaren Oberschenkelauflage fehlt. Hinten dagegen sitzt es sich ein wenig höhlenartig, aber deshalb nicht beengt. Dass am Ende dann noch ein anständig großer Kofferraum wartet: auch gut.

Hier läuft alles zusammen: der Zentralmonitor des Bediensystems. Das entspricht dem Konzernstandard seit Einführung des Golf 8, bereitet den Nutzern seither aber nicht nur Freude.
Mit Einschränkungen gilt das für das Bedienkonzept, das dem neuen VW-Konzernstandard seit dem Golf entspricht. An den knubbeligen Wählhebel in der Mittelkonsole hat man sich ja schnell gewöhnt, nicht aber die Logik der Menüs, ihre verschiedenen Ebenen und die ganze erforderliche Tippwischerei.
Aber deshalb lieber einen Bogen um den Formentor machen? Nein, wirklich nicht. Zumal der auch noch mit seinem Einstandspreis reizt. Allradantrieb, 310 PS und eine ziemliche Komplettausstattung für 45.090 Euro. Das ist mal ein Wort. Wer auf solch einen Leistungsüberfluss verzichten kann: Es gibt den Formentor als vernunftbetonte Variante sogar ab 31.490 Euro. Dann aber mit 110 kW/150 PS, also etwas weniger als der halben Leistung. Und halbe Sachen sollten doch eigentlich nicht mehr sein, oder?