Ein Exot auf dem deutschen Automarkt: Das war Ssangyong immer, nicht nur wegen des Namens mit seiner nach europäischen Maßstäben außergewöhnlichen Buchstabenfolge mit dem Doppel-s am Anfang. Viel mehr fristete auch das, was aus Südkorea an Fahrzeugen der robusteren Natur – vor allem SUV, Geländewagen oder Pick-ups – über die Weltmeere geschippert wurde, hierzulande ein ziemliches Schattendasein. Wozu sicherlich auch beitrug, dass etwa der vanartige Rodius der ersten Generation mit seinem verstörend-
en Heckaufbau bis heute als eines der, sagen wir es mal so, wagemutigsten und zugleich erfolglosesten Experimente des Automobildesigns gelten darf. Aber das ist längst Geschichte. So wie der Markenname Ssangyong. Dessen Exotik ersetzt neuerdings in aller Nüchternheit das Kürzel KGM.
Wofür das steht? Das „M“ für Mobility, der Rest hat mit der wechselvollen Geschichte des viertgrößten Autoherstellers des Landes zu tun. 1954 als Ssangyong gegründet, wechselte das Unternehmen mehrfach den Besitzer und ging verschiedene Kooperationen ein – so ist unter anderem eine Technologiepartnerschaft mit Mercedes als Motorenlieferant in der Historie vermerkt. Nach der Insolvenz stieg 2022 schließlich der Mischkonzern KG Consortium, der in allen möglichen Branchen wie Stahl und Chemie unterwegs ist, ein. Mit der Geburtsstunde von KG Mobility, eben KGM, soll es nun in ruhigere Fahrwasser gehen. Und, natürlich, um einen Ausbau der Marktanteile auch in Deutschland.
Denn mit fünf Baureihen, den Crossover-Modellen Korando, Tivoli, Rexton und Torres sowie dem Pick-up Musso, ist der Hersteller zwar schon länger hierzulande vertreten. Seine Sichtbarkeit allerdings ist mehr als bescheiden, der Marktanteil kaum messbar. Für ein wenig mehr Action soll nun das Mittelklasse-SUV Actyon sorgen.

Wer an der Heckpartie des Actyon ein wenig Range Rover ausmacht – der verfügt gewiss über einige Expertise, sollte in der Sache aber mal nicht so kleinlich sein.
Auch dessen Design folgt dem KGM-Leitmotiv („Powered by Toughness“), entsprechend rustikal ist der Auftritt. Dazu zählen serienmäßige 20-Zoll-Räder, Dachreling, Heckspoiler und 20 Zentimeter Bodenfreiheit; markant ist auch die Frontpartie mit dem durchgehenden LED-Leuchtband am oberen Abschluss der Kühlermaske. Dahinter erstreckt sich der Actyon über 4,74 Meter Länge – bis hin zum Heck, das vermutlich nicht nur aus reinem Zufall einen optischen Hauch von Range Rover bietet. Als Ziel hat KGM formuliert, vor allem „designorientierte Kunden“ anzusprechen. Ob die beiden angedeuteten Stege auf der langen Motorhaube dazu beitragen, sei dahingestellt. Zunächst mal wirken sie gewöhnungsbedürftig.
Außer Diskussion steht, dass der Innenraum echten Premium-Willen untermauert, dabei aber funktional bleibt. Verarbeitung, Materialanmutung, Haptik und Ausstattung des Actyon machen einen durchweg guten Eindruck. Die Farbabstimmung ist gelungen, die Ledersitze – vorne wie hinten beheizbar, in der ersten Reihe zudem belüftet – bieten viel Bequemlichkeit und Komfort.
Das Cockpit wird von zwei nebeneinander platzierten 12,3-Zoll-Displays dominiert – physische Tasten sind kaum vorhanden, die Bedienung erfolgt weitgehend digital.

Alles ganz schön digital hier: das Cockpit des KGM Actyon. Dass die abgekupferte Grafik der Digitalarmaturen schon beim Vorbild BMW ein Flop war, spielt am Ende nur eine untergeordnete Rolle. Denn das Preis-Leistungs-Verhältnis des Koreaners ist so stimmig wie die Verarbeitungsgüte.
Traditionalisten wissen das nicht immer zu schätzen, doch sie können beruhigt sein: Die Benutzeroberfläche des KGM ist übersichtlich und lässt sich, nach einer grundsätzlich unverzichtbaren Orientierungsphase, größtenteils intuitiv bedienen. Denn die einzelnen Menüs sind relativ logisch aufgebaut; häufig genutzte Funktionen wurden nicht tief in Untermenüs versteckt, sondern sind per Schnellwahl erreichbar. Was der Generation Smartphone indes nicht gefallen dürfte: Die Einbindung des Geräts via Apple CarPlay oder Android Auto funktioniert nur kabelgebunden.
Was umso verwunderlicher ist, als dass KGM bei der Serienausstattung ansonsten nicht gespart hat. Schon die Einstiegsversion namens Core (ab 35.790 Euro) bietet unter anderem LED-Scheinwerfer, Zwei-Zonen-Klimaautomatik sowie elektrisch einstell-, anklapp- und beheizbare Außenspiegel. An Helfern sind wenigstens Notbrems-, Fernlicht- und Spurhalteassistent mit von der Partie, dazu gibt es eine Müdigkeitserkennung. Die Ausstattungsstufe zwei, genannt Bliss (ab 39.450 Euro), ergänzt das Paket um Totwinkelassistent und Querverkehrswarner, auch die sechsstufige Getriebeautomatik ist dann grundsätzlich installiert.

Schalten und walten: Ab der mittleren Ausstattungsstufe wechselt der Actyon die sechs Gänge des Getriebes automatisch. Immer damit verbunden ist ein Benziner mit 120 kW (163 PS) Leistung.
Wer damit noch nicht zufrieden ist, kann sich mit der Lux-Ausstattung ab 42.250 Euro unter anderem noch ein 360-Grad-Kamerasystem, den Querverkehrsassistenten mit Notbremsfunktion, einen Ausstiegswarner und den Tempomat mit adaptiver Abstandsregelung gönnen. Dazu werden die Passagiere je nach Ausstattung von Leder, Holz- und Karbonleisten und einer mehrfarbigen Ambientebeleuchtung empfangen – das alles wirkt sehr ansehnlich. Zumindest im Obergeschoss. Denn fällt der Blick in Richtung Wagenboden, trifft er sodann auf erkennbar preiswertere Materialien. Doch das ist nichts, was das Wohlbefinden an Bord nachhaltig schmälern würde. Zumal es auch beim Platzangebot nichts zu meckern gibt: In beiden Sitzreihen steht so viel Raum zur Verfügung, dass die Grundbedürfnisse mehr als nur übererfüllt sind. Stark sind überdies die 668 Liter, die das Gepäckabteil selbst bei aufgestellter Rückbank im Angebot hat.
Im Fahrbetrieb zeigt sich Actyon klar auf Komfort abgestimmt, ohne dabei allerdings weich zu wirken. Fest steht, dass das Crossover-Modell eher entspannte Reiseaktivitäten denn sportliche Ansprüche bedient. Ob die Variante mit Front- oder Allradantrieb (plus 2200 Euro) gewählt wurde: Kraftquelle ist immer ein 1,5 Liter großer Turbobenziner mit 120 kW (163 PS). Der reißt zwar keine Bäume aus, ist aber im Zusammenhang mit der Automatik für bis zu 191 km/h Höchstgeschwindigkeit gut – der Handschalter schafft drei km/h mehr. Lenkung, Bremsen und Fahrgeräusche geben keinen Anlass zur Kritik, allerdings ist der Verbrauch des Vierzylinders nicht gerade rekordverdächtig niedrig. Schon auf dem Papier stehen 8,5 Liter/100 km, in der Alltagspraxis geht die Tendenz allerdings eher in Richtung zehn Liter. Angesichts dessen hätten die Koreaner ruhig einen Tank verbauen dürfen, der mehr als die sparsam bemessenen 50 Liter fasst.

Platz da? Ja, im Gepäckabteil des Actyon ist reichlich Platz da: Selbst bei aufgestellten Rücksitzen bietet das Heck im Minimalfall hochanständige 668 Liter Transportvolumen. Beim Umlegen der Sitzlehnen ist, so wie im Bild, schrittweise noch deutlich mehr drin.
Solche Detailschwächen ändern nichts daran, dass der Actyon insgesamt einen mehr als soliden Auftritt hinlegt. Der Preis ist angesichts des Gebotenen fair, dazu ist eine Herstellergarantie über fünf Jahre oder 100.000 Kilometer Laufleistung inklusive. Dass der Actyon laut KGM-Planungen eine zentrale Rolle dabei spielen soll, auf dass die Koreaner dieses Jahr in Deutschland insgesamt 5000 Fahrzeuge absetzen – es erscheint zumindest nicht weltfremd. Und für die Zukunft hat KGM noch ein Ass im Ärmel: Ab dem ersten Quartal 2026 soll ein sparsamerer Vollhybrid das Angebot ergänzen.