Digital Detox, das Prinzip der digitalen Entgiftungskur, ist ja schwer in Mode. Einfach mal runterkommen, offline gehen ins analoge Hier und Jetzt, in dem sich die Welt wirklich und wahrhaftig weiterdreht. Und das ganz ohne Internetzugang per Handy, Tablet oder PC. Ach ja, das Auto hätten wir in dieser Aufzählung beinahe vergessen.
Weil das in seiner modernen Ausprägung längst zum – im Wortsinn – mobilen Endgerät geworden ist; voll vernetzt und allzeit bereit, das Wetter wo auch immer auf der Welt anzuzeigen, auch ausgefallenste Musikwünsche ins Soundsystem zu streamen oder einen Ladeplatz an einer Stromtankstelle entlang der Fahrtstrecke zu reservieren. Das brauchen Sie alles nicht? Prima, dann hätten wir da was für Sie: den Mazda MX-5 RF. Denn der ist so etwas wie die reine Essenz des analogen Autofahrens. Verbrennungsmotor vorne, Antriebsachse hinten, dazwischen Lenkrad, Handschaltung und zwei Sitze. Punkt.
Das klingt ganz fürchterlich gestrig? Stimmt, aber der MX-5 als Wiedergeburt des klassischen offenen Zweisitzers wirkte ja schon immer wie aus der Zeit gefallen, seit die erste Generation 1989 die Menschen weltweit verrückt machte. Klein, handlich und allenfalls in Sachen Fahrspaß unbezahlbar – das gilt auch für den aktuellen Typ ND, der in dieser Form schon seit 2015 praktisch unverändert gebaut wird. Und seit 2016 eben auch als RF.

Geschlossene Gesellschaft: Die Nummer beherrscht der MX-5 als RF ganz ausgezeichnet. Ist die zentrale Dachplatte an ihrem angestammten Platz, wird aus dem frischluftigen Spaßmobil ein Fastback mit Ganzjahrestauglichkeit.
Das Kürzel steht für Retractable Fastback und meint, dass diese Version des MX-5 keine Stoffkapuze trägt, sondern einen elektrohydraulischen Klappmechanismus für das zentrale Dachteil hat. Also das, was in Porscheland unter Targa verstanden wird: weniger als ein echtes Cabrio, aber mehr als ein Schiebedach mit großer Öffnung. Ein Druck auf den recht unauffälligen Schalter in der Mittelkonsole, und binnen Sekunden hebt, klappt und faltet sich die Dachplatte in den Kofferraum, auf dass sich über den Köpfen der Insassen der Himmel auftut. Für Open-Air-Puristen mag das nichts Halbes und nichts Ganzes sein – für alle anderen eine ganzjahrestaugliche Zwischenlösung für Luft und Sonne im Sommer sowie wirksame Frostabwehr im Winter.
Was den RF so gar nicht vom herkömmlichen MX-5 unterscheidet: Auch er umschließt die maximale Zweisamkeit des Innenraums wie ein Kokon. Und das ist alternativlos. Möglichkeiten für Mensch und Maschine, ein wenig auf Abstand voneinanderzugehen: Sie sind im Mazda nicht vorgesehen. Wie denn auch bei deutlich unter vier Metern Länge, weniger als 1,80 Metern Breite und nur knapp über 1,20 Metern Höhe? So ist der RF ganz automatisch immer präsent, ob man es nun will oder nicht. Aber man will ja. Nämlich Autofahren ohne Filter.

Blick in den Innenraum des MX-5: Wer die Nähe von Mensch und Maschine sucht, der wird sie hier finden. Denn das geöffnete Targadach täuscht ein wenig darüber hinweg, dass hier im Normalfall kuschelig zugeht. Sehr, sehr kuschelig.
Zu diesem Gesamtkonzept gehört auch jene Nähe zu den Wirkkräften der Mechanik, die sich mit dem E-Zeitalter so langsam aus dem Bewusstsein verabschieden. Kaltstart, und der Vierzylinder unter der im Vergleich zur restlichen Karosserie langen Haube verschafft sich mit einem leicht wütenden Fanfarenstoß des Gaswechsels Gehör. Dann, während er auf Betriebstemperatur kommt, ist die Leerlaufdrehzahl zunächst erhöht und es schüttelt ihn beachtlich durch. Auch später, wenn sich das Motoröl wohlig gewärmt hat, bleibt das metallische Arbeitsgeräusch des Zweiliters immer präsent. Ist das wirklich der gleiche, Skyactiv-G 2.0 genannte Motor, der auch in anderen Mazda-Modellen zum Einsatz kommt und dort die Sanftmut in Person gibt? Schwer zu glauben, aber die Leistungsdaten – 135 kW (184 PS) – sagen ja.
Wer den MX-5 RF nicht nur bewegen, sondern sich auch davon bewegen lassen will, der sollte keine Scheu vor höheren Drehzahlen haben. Aber der Kleine fordert sie ja auch geradezu, er lechzt danach. Und gibt dem Fahrer dafür das passende Mittel an die Hand: das Schaltgetriebe mit sechs kurz übersetzten Gängen. Es ist schlicht und einfach eines der besten manuellen Getriebe am Markt. Der Schaltknüppel verschwendet keinen Gedanken an unnötige Größe und klackt – aus dem Handgelenk des Fahrers heraus – auf kürzesten Wegen durch die sauber geführten Gassen. Von wegen Schaltarbeit. Das hier ist das pure Schaltvergnügen.

Wenn Ihnen das hier begegnet, dann greifen Sie ruhig zu – denn ein besseres manuelles Getriebe, das auf kürzeren und exakteren Wege schaltet als das des Mazda MX-5, werden Sie vermutlich nirgends finden. Zumindest nicht in einem bezahlbaren Auto.
In weniger als sieben Sekunden vergnügt der MX-5 sich und den Fahrer so bis auf Landstraßentempo 100. Der niedrige Schwerpunkt, das gut ausbalancierte Fahrwerk, der Heckantrieb und die direkte Lenkung machen Lust auf die nächste Kurve, seit jeher eine der Paradedisziplinen des kleinen Mazdas. Und er verschiebt dabei das Empfinden. Nicht nur, weil seine zierlichen Ausmaße jede Straße breiter machen. Sondern auch, weil dieselbe Strecke, die neulich noch in einem großen und schweren VW ID.5 sanft durchbummelt wurde, im MX-5 wie eine aufregende Achterbahnfahrt wirkt. Bei identischem Tempo, wohlgemerkt.
Der Verbrauch bewegt sich bei all dem in einem angemessenen Rahmen. 6,9 Liter Sprit soll der RF laut Datenblatt pro 100 Kilometer verfeuern, im echten (Test-)Leben waren es 7,5 Liter. Das ist angesichts der Leistung zwar nicht übermäßig viel – aber doch eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass dafür weniger als 1,2 Tonnen Leergewicht und höchstens zwei Personen in Schwung gebracht werden. Die Beförderung von Gepäck oder sonstigen Transportgütern sei in dieser Aufzählung gnädig ausgeklammert. Bietet der MX-5 in seinem kurzen Heck an Kofferraumvolumen doch nur in etwa das, was erwachsene Autos als zusätzliches Staufach unter dem Laderaumboden haben: 127 Liter.

Da geht es dahin, auf dass sich der Himmel über den Passagieren des MX-5 auftue: Auf Knopfdruck hebt, klappt und faltet sich das Dach des MX-5 binnen Sekunden in Richtung Kofferräumchen.
Macht das was? Es macht gar nix. Ebenso wenig wie der beschwerliche Ein- und Ausstieg, der gerade bei engen Parklücken den Verlust jeglicher Resteleganz im Bewegungsablauf bedingt. Dass selbst solche profanen Dinge wie Türablagen oder ein Handschuhfach dem Platzmangel in diesem Autochen zum Opfer gefallen sind: geschenkt. Denn wer solche Dinge hinterfragt, der hat den MX-5 nicht verstanden und will es vermutlich auch gar nicht.
Der Preis jedenfalls stellt nur wenig Grund dar, es nicht wenigstens mal mit dem Verständnis zu versuchen. 38.670 Euro verlangt Mazda für den RF, packt dafür aber neben der Topmotorisierung auch die üppige Ausstattung des Sondermodells Kinenbi rein. Wer sich mit dem nicht viel weniger launigen 1,5-Liter-Basismotor (97 kW/132 PS) begnügt, wäre ab 34.090 Euro dabei. Und das Digital-Detox-Programm? Ist immer inklusive.