„Ich kenne jemanden, der schon mal im Netz gemobbt wurde“, meldet sich Abishek. „Ein Junge, den ich kenne, wurde gefilmt und das Video weitergeschickt. Viele haben das gesehen, und der Junge hat sich sehr unwohl gefühlt.“ Heute würde der zwölfjährige Abishek handeln. Gemeinsam mit seiner Klasse, der 7a an der Wilhelm-Olbers-Oberschule in Hemelingen, hat er am interaktiven Live-Webinar „Law-4-school“ teilgenommen. Das sensibilisierte nicht nur für die Problematik Mobbing und Cybermobbing, es zeigte vor allem auch die rechtlichen Seiten und Konsequenzen auf. Über 70 Schulklassen waren zugeschaltet und lauschten zeitgleich der Rechtsanwältin Gesa Stückmann, die das von der Techniker-Krankenkasse geförderte Webinar durchführte. Per Chat konnten ihr die Schülerinnen und Schüler offene Fragen stellen und so mitdiskutieren.
"Das kann teuer werden"
Instagram, Tik-Tok, Snapchat – keiner aus der Klasse 7a, der nicht auf Social-Media-Kanälen unterwegs ist. Auch im Klassenchat wird gepostet, was das Zeug hält. Doch wie ist das, wenn jemand ein beleidigendes, peinliches oder gar intimes Bild oder Video herumschickt? „Das kann teuer werden“, weiß Mika. „Es gibt das Recht am eigenen Bild.“ Im Webinar hat er gelernt, dass es bis zu 10.000 Euro kosten kann, wenn es zur Anzeige kommt. In seiner Klasse gab es noch keinen solcher Vorfälle. Die Gemeinschaft ist gut. Darauf sind die drei Klassenlehrerinnen und -lehrer Iryna Moch, Maren Gatena und Philipp Bosse stolz. Das Thema Mobbing nehmen sie sehr ernst. Der respektvolle Umgang miteinander wird immer wieder im Unterricht aufgegriffen.
Bundesweites Projekt
Seit 2021 kommen in der 7a die Materialien von „Gemeinsam Klasse sein“ zum Einsatz. Für Lehrkräfte gibt es im Rahmen des bundesweiten Projekts Fortbildungen, die von Meike Herminghausen vom Landesinstitut für Schule (LIS) schulintern durchgeführt werden. Spezielle Fortbildungs- und Beratungsangebote zu Cybermobbing bietet die Senatorin für Kinder und Bildung im Bereich Digitalisierung und Medien an. „Wir lassen die Schulen mit dem Thema nicht allein“, sagt Herminghausen. „Es ist ein Glück, wenn die Klassengemeinschaft so gut funktioniert wie in der 7a. Leider haben wir derzeit viele Anfragen von Klassenleitungen, wo das eben nicht der Fall ist.“ Die Corona-Pandemie habe das Problem noch einmal verschärft. Sie freue sich deshalb, dass Krankenkassen wie die Techniker ihren Auftrag erfüllten und sich gemeinsam mit den Behörden engagierten.
Beispiele aus dem Leben
„Bei unserer Klasse kam das Live-Webinar sehr gut an“, berichtet Iryna Moch, „und auch wir Lehrkräfte haben einiges lernen und mitnehmen können.“ Die Rechtsanwältin habe die Inhalte mit großen Praxisbezügen vermittelt, lobt Philipp Bosse. Das sieht seine Kollegin ebenso: „Viele Beispiele waren aus dem Leben gegriffen und nah am Alltag der Kinder und Jugendlichen“, sagt Maren Gatena. „Wir können den Kindern ja nicht in die Köpfe gucken. Vieles geht an uns vorbei. Gerade deshalb ist die präventive Arbeit so wichtig“, fasst Bosse zusammen.
Mit dem Thema Mobbing hat der eine oder andere aus der 7a in der Grundschule schon eigene Erfahrungen sammeln müssen. „In der ersten und zweiten Klasse passiert das schneller“, weiß Yannik, „weil die Kinder noch nicht wissen, was das bewirken kann.“ Im Internet versuchen viele der Schülerinnen und Schüler jetzt vorsichtiger zu sein. „Oft macht man sich gar keine Gedanken, wenn man ein Bild weitergibt“, sagt Lale, und Hamza fügt hinzu: „Oder man schreibt dazu, bitte nicht an andere schicken und derjenige tut es doch. Irgendwie ist man dann Täter, aber auch Opfer.“
"Nicht wegschauen"
Im Webinar hat die Klasse gelernt, wie sie mit Cybermobbing umgehen kann. „Beweise sichern und einen Bildscan machen“, sagt Mika wie aus der Pistole geschossen, „und Bild oder Video sofort löschen.“ „Den Absender blockieren“, fällt Lale noch ein. „Man kann ihn auch melden und sperren lassen.“ Für das Opfer sei das Ganze dann aber zu spät, da sind sich alle einig, denn das Foto haben meist schon zu viele gesehen. „Wir können aber versuchen, die Person mental aufzubauen“, sagt Annika. „Wenn du siehst, dass jemand gemobbt wird, darfst du nicht wegschauen, sondern musst reagieren und hingehen und selbst helfen oder Hilfe holen.“
Regeln aufgestellt
Ihre Klassenlehrerinnen oder ihren Klassenlehrer würden sie jederzeit ins Vertrauen ziehen, sagen die 22 Schülerinnen und Schüler der 7a übereinstimmend. Auch das spricht für das gute Klima. Im Rahmen des Projekts „Gemeinsam Klasse sein“ haben sie sich jeder etwas vorgenommen, um das Miteinander zu verbessern. Alle Vorsätze wurden aufgeschrieben und verschönern als Bild die Wand. Und funktioniert es? „Wir sind ruhiger geworden“, sagt Hamza, „und wenn es Streit gibt, versuchen wir schnell Lösungen zu finden.“ Auch gegenseitiger Respekt, ein toleranter Umgang und der Abbau von Vorurteilen sei ihnen wichtig.
Für den Klassenchat wurden ebenfalls Regeln aufgestellt: Es dürfen keine Bilder, Videos oder rassistische und diskriminierende Sticker gepostet werden. Doch alle wissen: Wachsam müssen sie weiterhin sein – gerade im Netz, wo Mobbing schnell außer Kontrolle geraten kann.