Die Digitalisierung spielt auch in juristischen Fragen eine zunehmend größere Rolle. Ein geflügeltes Stichwort dafür ist Legal Tech – was aber steckt dahinter?
Was ist Legal Tech?
Der Begriff Legal Tech setzt sich aus „legal“ und „technology“ zusammen. Es geht also darum, mithilfe von Softwareprogrammen und Algorithmen juristische Arbeitsprozess zu verbessern. Besonders bekannt ist zum Beispiel das Onlineportal Flightright.de, auf dem Verbraucher ihren Anspruch auf Entschädigung bei Flugausfall oder -verspätung durchsetzen können. Vereinfacht gesagt bedeutet Legal Tech die Digitalisierung der juristischen Arbeit.
"Der Begriff hat sich entwickelt. Wenn man heute im Verbraucherkontext von Legal Tech spricht, geht es in der Regel um verbraucherzentrierte Angebote – also etwa Geschäftsmodelle, die günstigere Rechtsdienstleistungen anbieten können, weil sie diese Technik nutzen", erklärt Marco Klock, einer der Gründer und Geschäftsführer der Rightmart GmbH, die als Legal-Tech-Startup gegründet wurde. Rightmart ist als Verbraucherrechtskanzlei bekannt, die vor allem digitale Kommunikationswege nutzt. Klock kümmert sich um das Marketing und die Software, die hinter der Kanzlei stecken.
Wie weit ist die Technik bereits?
"Der größte Anwendungsteil ist die Automatisierung administrativer Prozesse", sagt Klock zum aktuellen Stand von Legal Tech. Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich mit Rechtsfragen an Legal-Tech-Firmen wenden, übermitteln Unterlagen. "Die Daten aus diesen Unterlagen werden von Programmen in eine strukturierte Form gebracht. Dann muss ein Mensch nicht mehr die Daten auslesen." Einige Programme, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten, können auch überprüfen, ob die Daten aus Briefen und anderen Dokumenten übereinstimmen. Darauf basierend können dann weitere Arbeitsschritte automatisiert werden. "Ein Beispiel dafür ist: Sie haben einen Bußgeldbescheid bekommen, das Programm erkennt dann etwa aus den Daten, dass die dazugehörige Akte von den Behörden angefordert werden muss", erklärt Klock.
Wo liegen die Grenzen?
Den Anwalt kann Legal Tech aber nicht vollständig ersetzen. "Wenn es um die juristische Entscheidung geht, muss die immer von einem Anwalt und seinem Mandanten getroffen werden", sagt Klock. Was das bedeute? Klock macht es an einem Beispiel fest: "Nehmen wir an, es geht um einen Bußgeldbescheid." Dort könnten sich Anwalt und Mandant entweder dafür entscheiden, Einspruch einzulegen – etwa, weil die Radarfalle defekt war. Der Mandant könnte aber auch einfach das Bußgeld zahlen, weil sich ein rechtliches Vorgehen gegen den Bescheid nicht lohnen würde. Genau das müsse der Anwalt mit seinem Mandanten entscheiden – und nicht der Computer.
Generell müsse ein Anwalt immer über die Ergebnisse der unterstützenden Software schauen. Es ist also nicht denkbar, dass eine KI quasi im Alleingang ein rechtliches Problem anhand von Daten erkennt, eine Entscheidung trifft und dann eine Klage formuliert. "Das ist auch rechtlich gesetzt", sagt Klock. "Denn wenn einem Anwalt ein Fehler unterläuft, muss er für den Schaden zahlen."
Welche Vorteile bringt Legal Tech?
Mit Legal Tech können Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Recht günstiger durchsetzen. Weil durch die Technik das mühsame Zusammentragen von Daten durch Anwälte wegfallen kann, wird Arbeitszeit gespart. Diese Einsparung können die Kanzleien dann an die Mandanten weiterleiten. "Dadurch können immer mehr Kanzleien eine Prozesskonstenfinanzierung anbieten", sagt Klock. Das bedeutet: Mandanten zahlen nur, wenn die Klage erfolgreich war. Geht der Prozess zuungunsten der Kläger aus, fallen keine Kosten an. "Das kann man als Kanzlei nur anbieten, wenn die Chancen auf eine erfolgreiche Klage hoch sind und der Arbeitsaufwand für den Anwalt nicht zu hoch ist", erklärt der Geschäftsführer. Wer in Deutschland Recht bekomme, hänge auch immer noch vom Geldbeutel ab. "Legal Tech kann das ausgleichen", so Klock. Auch qualitativ sieht der Geschäftsführer Vorteile in der Technik, weil eine Software weit weniger Fehler mache als ein Mensch.
Was sind die Nachteile?
Wirklich Nachteile sieht der Legal-Tech-Experte in der Technik nicht. "Es gibt Rechtsgebiete, wie das Arbeitsrecht, da wollen Mandanten mit einem Anwalt persönlich sprechen. Dort würde ein noch so guter Chatbot nicht angenommen werden", meint Klock. Theoretisch könne er sich auch vorstellen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant leiden könnte, wenn man dank Legal Tech keinen direkten Kontakt pflegt. "Ich sehe aber nicht, dass das wirklich geschieht."
Digitalisierung der Justiz
Auf staatlicher Seite steht man in Bremen dem Einsatz von KI in der Staatsanwaltschaft und bei den Richtern noch sehr kritisch gegenüber. Laut dem Justizressort wolle man in Bremen erst noch abwarten, bis die Technik an anderer Stelle erprobt ist. Die Digitalisierung hat aber auch hier bereits begonnen. Und zwar in Form der elektronischen Akte (E-Akte). Bei den Gerichten laufe das schon sehr gut, was noch fehle, sei vor allem die Staatsanwaltschaft. "Wir sind aber optimistisch, dass wir die gesetzliche Frist zur Einführung der E-Akte bis 2026 einhalten können", bestätigt ein Sprecher des Ressorts.