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Datenkolumne Du bist, was du isst: Die Risiken der Einkaufslisten-Apps

Eine digitale Liste für den Supermarkteinkauf klingt gut und praktisch. Dass diese aber erhebliche Risiken für die sensiblen persönlichen Daten beinhaltet, wissen viele Menschen nicht.
27.07.2023, 05:00 Uhr
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Von Dennis-Kenji Kipker Sven Venzke-Caprarese

Einkaufslisten-Apps gibt es viele – das Prinzip ist aber immer ähnlich einfach und einleuchtend: Das, was ich zu früheren Zeiten für meinen Wocheneinkauf auf einen Schmierzettel notiert habe, wird nun digital auf dem Smartphone verfügbar. Das klingt erst einmal gut und ist auch praktisch: Denn mit einer digitalen Einkaufsliste kann ich nicht nur meinen Wocheneinkauf machen, sondern ich kann die Einkaufsliste immer wieder verwenden, kann an den Kauf bestimmter Produkte erinnert werden. Kann abhaken, welche Dinge ich bereits gekauft habe und Einkaufslisten für alle möglichen Anlässe führen, so zum Beispiel, wenn ich in den Urlaub fahre.

Hinzu kommt, dass solche Listen auch die Haushaltskasse schonen können, indem teure Doppelkäufe vermieden werden oder man herausfinden kann, welche Lebensmittel und Dinge im alltäglichen Verbrauch besonders teuer sind oder besonders häufig gekauft werden. Darüber hinaus bieten zahlreiche dieser Apps auch zusätzliche Community-Features an, indem ich Einkaufslisten mit Freunden und Familie teilen kann, so zum Beispiel, um Geburtstage, gemeinsame Reisen oder Partys besser planen zu können. Besonderer Bonus: Die allermeisten dieser kleinen Alltagshelfer sind umsonst nutzbar.

Was aber erst einmal so gut klingt und auch nützlich sein kann, hat auch Kehrseiten, derer sich viele Verbraucher nicht bewusst sind. So könnte man meinen, dass es sich bei den in der App gespeicherten Daten ohnehin nicht um besonders brisante oder sensible Informationen handelt – es geht ja schließlich nur um einen digitalisierten Einkaufszettel. Weit gefehlt!

So profan diese Angaben zunächst auch erscheinen mögen, so lassen sie doch viele Rückschlüsse auf die hinter dem Einkauf stehende Person zu, getreu dem Motto: Du bist, was du isst. Anhand der Einkaufsgewohnheiten und der gekauften Produkte und Lebensmittel lässt sich beispielsweise recht schnell erkennen, ob jemand Single ist oder mit jemandem zusammen oder in einer Familiengemeinschaft lebt, wie alt die Person in etwa sein könnte, welcher Religion oder Glaubensgemeinschaft sie angehört, wann sie arbeiten geht und wie viel sie jeden Monat verdient. Oder ob es psychische oder gesundheitliche Probleme gibt und welche Vorlieben und Abneigungen jemand hat. All diese Informationen über einen längeren Zeitraum zusammengenommen ergeben ein umfassendes Persönlichkeitsprofil nicht nur über die Nutzer der App, sondern auch über die Personen aus ihrem näheren sozialen Umfeld.

In Anbetracht dieser Umstände wird sodann auch deutlich, weshalb die Programmierung und das Anbieten von Einkaufslisten-Apps ein lukratives Geschäft sein kann und sich der kostenlose Download in den App-Stores für den Hersteller lohnt. Dabei hat eine Auswertung der Datenschutzbedingungen einiger populärer solcher Apps vor Kurzem ergeben, dass die durch Nutzer bereitwillig zur Verfügung gestellten Daten nicht nur umfassend analysiert und an Dritte teils in das Ausland übermittelt werden, sondern sogar bewusst detaillierte Persönlichkeitsprofile erstellt wurden, indem die Einkaufsdaten mit dem Klarnamen und sogar mit den Bankkontodaten verknüpft wurden.

Der Zugriff auf Standortinformationen, App-Aktivitäten, Geräte- und Nutzer-IDs, Mailadressen und Fotos ergänzt das Überwachungssammelsurium. Damit aber noch nicht genug: Mehrere dieser Apps wiesen gravierende Datenschutzlücken auf, die ihre Vereinbarkeit mit den strengen europäischen Datenschutzgrundsätzen mehr als nur infrage stellen.

Trotz aller Nützlichkeit von Einkaufslisten-Apps kann man ihre Verwendung in vielen Fällen folglich nicht guten Gewissens empfehlen. Wer sich deshalb nicht intensiv mit den Geschäfts- und Datenschutzbedingungen der Apps auseinandersetzen möchte, ist besser beraten, keine App zu installieren beziehungsweise die digitale Einkaufsliste lokal auf dem Smartphone zu speichern.

Info

Dennis-Kenji Kipker ist Mitglied des Vorstands der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz, Sven Venzke-Caprarese arbeitet als Geschäftsführer bei dem Bremer Unternehmen Datenschutz Nord. Beide schreiben einmal pro im Monat im WESER-KURIER über Datenklau und Datenschutz.

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