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Technik im Kinderzimmer Wie sinnvoll ist eine Smartwatch für Kinder?

Eine Smartwatch als sicherer Einstieg in die digitale Welt. So lautet das Versprechen der Hersteller. Was Medienpädagogen zu dem Gadget für Kinder sagen.
22.09.2022, 05:00 Uhr
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Von Sophia Allenstein

Technikhersteller und Mobilfunkfirmen bewerben aktuell Smartwatches, die extra für Kinder produziert werden. Manche Produkte werden für Kinder ab vier Jahren empfohlen. Sie sollen sicherer und günstiger sein, als ein Smartphone. Was steckt hinter dem Trend? Der WESER-KURIER hat mit zwei Medienpädagogen gesprochen, um das Phänomen einzuordnen.

Welche Funktionen haben Smartwatches für Kinder?

Mittlerweile bietet eine Vielzahl von Herstellern Smartwatches an. So verkauft Vodafone mit der "V-Kids Watch" ein eigenes Modell; auch die Lernspielzeugfirma V-tech ist in den Markt eingestiegen. Die Mehrheit der Uhren verfügt über einen GPS-Tracker, der Eltern den Standort ihrer Kinder anzeigt. Daneben gehören mobile Kameras, die Möglichkeit zum Telefonieren sowie spezielle Spieleapps zur Grundausstattung. Einige Uhren verfügen auch über Schrittzähler, einen SOS-Knopf und die Funktion, Anrufe von unbekannten Rufnummern zu blockieren. Auch ein Schulmodus, der während der Schulzeit nur die Anzeige der Uhrzeit ermöglicht, ist mitunter eingebaut. 

Was sagen Medienpädagogen zu solchen Produkten?

Experten aus Bremen sehen die Nutzung von Smartwatches kritisch, empfehlen aber, immer individuell zu entscheiden, ob eine Smartwatch für den Nachwuchs Sinn ergibt. "Es gibt Nutzungsszenarien, in denen eine Smartwatch auch für junge Kinder gut sein kann", sagt Karsten Wolf, Professor für Medienpädagogik an der Universität Bremen. Für Kinder, die früh Pendelstrecken zurücklegen, kann ein Anruf per Smartwatch etwa hilfreich sein, um mitzuteilen, dass ihr Bus Verspätung hat. Grundsätzlich solle man sich aber immer fragen, warum das eigene Kind eine Smartwatch braucht, rät der Experte. Soll die Tochter ein Gefühl für Zeit bekommen, oder der Sohn die Uhr richtig lernen? Dann reicht wahrscheinlich auch eine analoge Uhr aus.

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Hinter manchem Gerätekauf könnte auch ein Hintergedanke von Elternseite stecken. "Die Hersteller sprechen oft das Sicherheitsbedürfnis der Eltern an", sagt Wolf. Durch die Trackingmöglichkeit können Eltern permanent nachverfolgen, wo sich ihr Kind aufhält. Aus dem gut gemeinten Geschenk wird so schnell ein Instrument der Kontrolle. Aus medienpädagogischer Sicht durchaus bedenklich. "Wenn mein Kind sich erste Freiräume erschließt, und nachmittags Freunde trifft, sollte ich das nicht ständig absichern. Sondern Vertrauen haben in das Kind und seine Kompetenzen stärken," sagt der Medienpädagoge Markus Gerstmann. Statt ständiger Überwachung empfiehlt der Bremer Experte, ausführlich über potentiell problematische Situationen zu reden. "Jedes Kind sollte von Anfang an lernen, selbstständig Entscheidungen zu treffen und auf das eigene Bauchgefühl zu hören", sagt Gerstmann. Ein selbstbewusstes Kind, das in schwierigen Situationen entschieden Nein sagen könne, sei für pädophile Täter wenig interessant.

Wie kann ich mein Kind auf das erste Smartphone oder die erste Smartwatch vorbereiten?

Je jünger das Kind, desto mehr Regeln braucht es beim Medienkonsum, sagt Markus Gerstmann. Kind und Eltern sollten klare Grenzen besprechen und bereden, welche Apps etwa nicht genutzt werden sollen oder wie viel Zeit das Kind mit dem Gerät verbringen darf. Manche Apps lassen sich in kindgerechten Versionen downloaden, so beschränkt etwa "YouTube kids" den Zugriff auf Videos, die nicht für Zuschauer unter 13 Jahren geeignet sind. Jugendschutzeinstellungen in App- und Play-Store können zudem das Herunterladen kostenpflichtiger oder nicht altersgerechter Apps verhindern.

Social Media Apps wie TikTok oder Instagram sind offiziell zwar erst ab 12 und 13 Jahren freigegeben, ein Altersnachweis ist vor der Nutzung aber nicht erforderlich. Hier lohnt es sich als Elternteil genau hinzuschauen, welche Inhalte über die Plattform transportiert werden. Markus Gerstmann empfiehlt, sich zeigen oder erzählen zu lassen, was das eigene Kind online macht. So bekommen Eltern ein Gefühl für das Nutzungsverhalten ihrer Kinder, und können auf heikle Inhalte – etwa unrealistische Schönheitsideale oder Gewalt – reagieren.

Welche Risiken hat die Nutzung von Endgeräten?

Laut dem Bundeskriminalamt nimmt Cybergrooming zu, also die Anbahnung sexueller Kontakte zu Minderjährigen über das Internet. In einer Studie der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen gaben gut ein Viertel aller Befragten zwischen acht und 18 Jahren an, schon einmal online von einer erwachsenen Person zu einem realen Treffen aufgefordert worden zu sein. Etwa 14 Prozent sagten zudem aus, dass sie von Erwachsenen dazu aufgefordert wurden, sich vor der Kamera auszuziehen, 15 Prozent hatten Nacktfotos von Erwachsenen erhalten.

Besonders bei der Smartwatch sind die Funktionen und der Zugang zum Internet beschränkt. Welche Daten ein Kind an Fremde weitergeben darf, sollte aber trotzdem vorher besprochen werden, sagen die Medienpädagogen. "Ein Satz wie "Ich bin gerade alleine zuhause, meine Eltern sind beide auf dem Elternabend"", könnte gefährlich sein", sagt Gerstmann. Wolf gibt dagegen zu bedenken, dass unklar ist, wo die Bewegungsdaten der Minderjährigen gespeichert werden, und wie sicher diese vor Hackern sind. "Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn Personen an sensible Daten von Kindern gelangen. Das gefährdet Kinder womöglich eher, als dass die Smartwatch sie schützt".

Ab welchem Alter sollten Kinder ein eigenes Smartphone oder eine Smartwatch bekommen?

Eine Pauschallösung gibt es für die Bremer Medienpädagogen nicht. "Die meisten Kinder haben zum Ende der Grundschule oder Anfang der Sekundarstufe I ihr erstes Smartphone", sagt Karsten Wolf. Spätestens in der Pubertät laufe viel an Kommunikation über WhatsApp. Wer dann nicht über ein eigenes Gerät verfüge, fühle sich schnell ausgeschlossen. Ähnlich sieht es Gerstmann. Er findet, Kinder und Jugendliche sollten etwa mit zwölf Jahren ein eigenes Gerät bekommen. "Dann, wenn ein Kind damit umgehen kann".

Zur Sache

Pornographische oder gewalthaltige Inhalte bei Minderjährigen

Online kommen Minderjährige früh, teilweise auch ungewollt in Kontakt mit Inhalten, die explizite Sex- und/oder Gewaltszenen enthalten. Vermeiden lässt sich der Kontakt kaum, oft bekommen Kinder und Jugendliche die Inhalte von Gleichaltrigen gezeigt oder weitergeschickt. Medienpädagoge Karsten Wolf plädiert auch in diesem Fall für Vertrauen und ein offenes Gespräch. "Es ist wichtig, Kindern das Selbstvertrauen zu geben, selber zu entscheiden: Das gucke ich nicht an, auch wenn andere mich dann uncool finden." Sehen Minderjährige dann Filme und Videos, die Angst oder Ekel hervorrufen, haben sie mehr Handlungsspielraum, sich gegen Inhalte zu stellen.

Info

Hilfestellungen und weitere Informationen zur Medienerziehung findet sich online unter www.klicksafe.de und www.schau-hin.info.

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