Ottersberg·Achim. Auf dem Hof von Claus Mindermann in Achim-Borstel geht es im wahrsten Sinne zu wie in einem Taubenschlag. Seit mehr als sechs Jahrzehnten lebt und liebt der 78-Jährige sein großes Hobby – die Brieftaubenzucht. Mit seinem Freund Klaus Matschinski trifft sich Mindermann täglich auf dem Areal, um sich in und an der Voliere mit den grau-schimmernden Federtieren zu beschäftigen.
Bei Tauben-Feinden als „Ratten der Lüfte“ verpönt, sind die intelligenten Tiere aus dem Leben von Claus Mindermann und Klaus Matschinski nicht mehr wegzudenken. Schon seit Kindesbeinen ist das Duo, das 2009 von der Reisevereinigung Achim nach Ottersberg gewechselt ist, von den gurrenden Spitzensportlern fasziniert. „Wir sind vom Tauben-Virus infiziert“, gesteht Matschinski lachend eine gewisse Sucht ein. „Es sind topfitte Tiere mit einem tollen Orientierungssinn, die schneller unterwegs sind als Autos und mit ihren 500 Gramm Körpergewicht einfach Unglaubliches leisten“, beschreibt Claus Mindermann die Faszination seines Hobbys und blickt dabei liebevoll auf seine jüngsten Schützlinge.
50 Jungtauben sind in diesem Frühjahr geschlüpft. „Die sind jetzt acht bis zehn Wochen alt“, erklärt Klaus Matschinski, der früher seine Brötchen als Berufs-Offizier bei der Bundeswehr verdient hat. Mit ihrer Brieftaubenzucht haben Mindermann und Matschinski schon große Erfolge gefeiert. 2012 holten sie den ersten Platz in der Wertung des Regionalverbandes Weser-Aller, der insgesamt 14 Reisevereinigungen umfasst – ihr bisher größter Erfolg.
Von Mai bis September geht es bei den Brieftaubenzüchtern in ganz Deutschland hoch her: Tausende von Tauben werden an den Wochenenden zu Preisflügen aufgelassen. Auch die Brieftauben von Claus Mindermann und Klaus Matschinski gehen bei vielen Wettflügen der neuen Reisesaison an den Start. Der erste Wettflug des Jahres führte die Tauben der Reisevereinigung Ottersberg kürzlich ins 160 Kilometer entfernte Oelde. Ein Spezialtransporter brachte die insgesamt mehr als 3400 Reise-Brieftauben wie ein Mannschaftsbus zum Auflassplatz, wo der Wettbewerb begann.
Für Claus Mindermann und Klaus Matschinski war es ein gelungener Saisonauftakt, denn zielsicher kehrte ihre Reise-Brieftaube mit der Nummer 760 mit der schnellsten Zeit und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometern in den heimischen Taubenschlag zurück. „Wir verfolgen die Ankunft der Vögel immer mit einem großen Kribbeln“, sagt Matschinski. Hinter den Erfolgen steckt derweil harte Arbeit, wie der 67-Jährige zu berichten weiß: „Man investiert unheimlich viel Zeit.“ Zwei Flugeinheiten mit jeweils einer Stunde stehen nacheinander für Weibchen, Täuber und Jungtauben auf dem Trainingsplan. Nach getaner Arbeit dürfen sich die Tiere beim Baden regenerieren. „Die Tauben stürzen sich dann geradezu ins Wasser“, hat Matschinski festgestellt.
Bei den Preisflügen müssen die Tauben, die für die Registrierung einen Ring mit Chip am Fuß tragen, aus bis zu 650 Kilometern den Weg nach Hause finden. Genau erforscht sei es laut Matschinski nicht, wie die Vögel das machen. „Es wird vermutet, dass sie sich mit Hilfe des Magnetfeldes der Erde orientieren“, erklärt der Züchter. Fakt ist aber, dass solche Leistungen nur mit guter Ernährung möglich sind. „Sie bekommen spezielles Futter. Es enthält Elektrolyte, Kohlenhydrate, Eiweiß, Vitamine und Fettzusätze“, zählt Matschinski auf. Hanf sei fettreich und sehr gut geeignet, ergänzt Mindermann.
Technik, Futter, Unterhalt – die Brieftaubenzucht ist ein teures Hobby. Und zudem vom Aussterben bedroht, wie es Mindermann und Matschinski drastisch formulieren. Während es bei den Tauben selbst genügend Nachwuchs gibt, fehlt es den Brieftaubenzüchtern akut an Nachrückern. „Uns gelingt es leider nicht, die junge Generation zu begeistern“, seufzt Matschinski. Wer 30 Jahre alt sei, gehöre in der Reisevereinigung schon zu den absoluten Youngstern. „Es ist halt kein familienfreundlicher Sport“, bemerkt der ehemalige Offizier.
Die Leidenschaft für die 75 Reise-, 30 Zucht- und rund 50 Jungtauben in ihrer Voliere lodert bei Mindermann und Matschinski trotz der düsteren Zukunftsprognose dennoch weiterhin auf großer Flamme.