Der Name verrät schon, wo ich das Restaurant Paulas gefunden habe: in Worpswede. Genauer gesagt im Hotel Worpsweder Tor. Das wiederum kennen vor allem die Touristen, denn auch hier gilt: Hotelgastronomie wird nur selten von Einheimischen genutzt. Ein Fehler, wie sich ein ums andere Mal herausstellt.
Almut und Thilo Drais kamen vor acht Jahren aus dem Rheinland. Sie kehrten den beiden 5-Sterne-Hotels Bergisch Gladbachs den Rücken, um nach typischen Wanderjahren mit ihren Söhnen in Worpswede zu ankern. Mit dem Paar startete Mathias Braun (ehemals Outer Roads) und setzte kulinarische Maßstäbe. Im Februar übergab er seine Küche an seinen damaligen Kollegen André Renken. Mathias Braun hat den Ruf des Paulas begründet, meint die Chefin, und dafür sei sie ihm dankbar. Zur „Löffelübergabe“ standen die Köche gemeinsam am Herd. „Das war der Zeitpunkt, zu dem wir bewusst einen Cut gemacht haben“, sagt Almut Drais. Die Karte wurde komplett überarbeitet, sogar die Klassiker mussten sich verabschieden. „Wir wollten keinen Vergleich.“
Zitronenschmandtupfer und Korallenfächer
Mit der neuen Karte kehrte auch eine neue Lässigkeit in die Räumlichkeiten, deren Interieur sowohl das Künstlerdorf als auch Moor und Torfkähne aufgreift. Die Speisekarte ist ebenfalls klar und übersichtlich. Ich wähle Forelle, Gurke, Dill (14 Euro) und bin erstaunt, als ich den Teller sehe: André Renken kann anrichten. Wie sich später herausstellt, sind alle seine Teller eine Augenweide, alle erzählen eine Geschichte und ich freue mich, dass er mich optisch und geschmacklich von der Unterwasserwelt in den Gemüsegarten führt.
Auf dem Tartar aus Gurken, Erbsen, Dill und Quark liegt eine geräucherte Forelle mit ihrem Kaviar, im Kreis sind Gurkengel- und Zitronenschmandtupfer und bildschöne Korallenfächer. Der Fisch zergeht auf der Zunge und ist glücklicherweise nur zart geräuchert. Dass der Küchenchef Humor hat, beweist er mit dem Kabeljau auf Erbsenpüree (28 Euro), die sautierten Saitlinge lässt er als Fische über den Teller gleiten, „damit der relativ langweilige Pilz wenigsten gut aussieht“, meint er lachend.
Der Gemüsegarten hält, was er verspricht: Auf dem Teller tummeln sich Möhren, Schalotten, Radi, Spargel, Radieschen und Frühlingszwiebeln, gepaart mit fluffigen Falafeln und eine Aqua-Faba-Crème (veganer Eiweiß-Ersatz aus Wasser und Bohnen), die mit Kräutern abgeschmeckt wie eine leichte Mayonnaise daherkommt.
Sehr sympathisch: Viele Gerichte werden in zwei Größen angeboten. So kostet der Garten entweder 10,20 oder 16,50 Euro. Zum Abschluss gönnen wir uns den Klassiker: Rote Grütze mal anders (7,90 Euro). Was serviert wird, hat auf den ersten Blick so gar nichts mit dem gebundenen Früchteragout zu tun, verzaubert sogar Almut Drais, die das Dessert zuvor nie gegessen hat. André Renken vermischt Sorbet mit Mousse, Veilchenschaum mit Granité zu einer echten Gaumenfreude, die weder zu sauer noch zu süß ist.
In puncto Ästhetik können sich einige Kollegen hier Anregungen holen, dass der Geschmack auch noch stimmt, rundet den Besuch im Paulas ab. Als er sich zu uns an den Tisch setzt, wird schnell klar, dass André Renken im Paulas angekommen ist. Der Ton im Team ist angenehm und humorvoll. „Wir verbringen hier viel Zeit gemeinsam, da ist es gut, wenn sich das Team versteht“, sagt Gastgeberin Almut Drais. Für alle die, die jetzt denken, dass der Weg nach Worpswede weit ist und Alkohol für den Fahrer tabu: Ich habe einen wirklich leckeren Martini-Cocktail, natürlich alkoholfrei, getrunken.

Restaurantchefin Almut Drais (l.) und Kritikerin Antje Noah-Scheinert im Paulas.
Das sagen die Stammgäste: Wir kommen seit Jahren regelmäßig hierher und freuen uns über das gute Essen und die freundliche Ansprache, hier ist es so freundschaftlich, das Essen ist super, als die neue Karte kam, waren wir skeptisch, aber jetzt freuen wir uns über die neuen Wege und finden es richtig lecker.
Paulas im Hotel Worpsweder Tor, Findorffstraße 3, 27726 Worpswede, Telefon: 04792/98930, www.hotelworpswedertor.de, Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 18 bis 23 Uhr, Küche bis 21.30 Uhr, barrierefrei.