Hoffnung - das war 2011 der Grund, das erste Mal das Jackie Su zu besuchen. Hoffnung, dass die neue Location kein mit Drachenfiguren gepflasterter Glutamat-Tempel werden würde, sondern ein Ort, an dem asiatische Küche auf kreative und moderne Weise zelebriert werden würde. Ich wurde nicht enttäuscht.
Als die urbane Street Kitchen in der Langenstraße ihre Pforten öffnete, war es für die asiatische Gastroszene ein großer Gewinn. Stilistisch mit dem modernen Industrial Style. Kulinarisch mit einem Angebot, das auf frische, schnelle und gesunde Gerichte jenseits von Glutamat spezialisiert war. Das war seinerzeit beachtlich. Und entsprechend verwunderte es wenig, dass das Lokal sich schnell zu einem Hotspot entwickelte.
Zehn Jahre später kehre ich erneut zurück und stelle mir die Frage, wie sich das Lokal, das einst als einsame Fackel im Dunkeln leuchten konnte, nun in einem Umfeld schlägt, das von allerorts aufgepoppten, hippen Asia-Küchen geprägt ist. Auf der Suche nach einer Antwort bin ich mit Hamid Daftary verabredet, der das Lokal zusammen mit Andreas Hoetzel betreibt.
Wir beginnen mit dem Hausklassiker Pad Thai (neun Euro). Eine thailändische Wok-Spezialität, die aus Reisbandnudeln, Chinakohl, Pak Choi, Erdnüssen, Karotten, Spitzkohl, Koriander, Sojasauce, Fischsoße, Zitrone, etwas Tamarinde, Ingwer, Knoblauch sowie einem mit der Masse verquirlten Rührei besteht. Den Anfang der Kritik macht mein Gastgeber: „Mit der Sojasoße wird es besser, aber mir fehlt Salz. Die Nudeln sind nicht klebrig, das Gemüse nicht totgebraten und das Essen insgesamt saftig. Und wenn ich ehrlich bin, das ist heute etwas pikanter als sonst, weil ich das besser mag.“ Für meine Kritik könnte ich die Tastaturkombi Copy-Paste verwenden. Aber weil ich Zeilen sparen muss, mit zwei Worten: sehr überzeugend.
Probiert und empfohlen: Als Nächstes testen wir ein weiteres Signature: das Thai Curry Hähnchen (zehn Euro). Auch dieses Gericht wird, wie das Meiste im Jackie Su, ansehnlich in einer Bowl präsentiert. Eine Portion Sushi-Reis, daneben das mit Bruststücken bespickte Curry sowie einem Allerlei an Gemüse, das hier für fast alle Gerichte verwendet wird: Karotten, Porree, Chinakohl, Spitzkohl, Pak Choi und Spinat. Als Topping Chili, Koriander und Lauchzwiebeln – fertig ist, was ein perfekter Mittagstisch sein könnte. Doch der Unterschied zwischen Ideal- und Realfall wird nach dem ersten Bissen offenbar. Der Reis ist etwas kalt, die Filetstücke sind nicht wirklich zart, überhaupt aber das Curry ein Verrat an den Augen, die einen bunten Geschmacksfilm geteasert bekommen, stattdessen nur ein holpriges Schwarz-Weiß-Kino erhalten. Zu dünn, zu fad, zu langweilig. Einziger Lichtblick: das auch hier wieder knackig auf den Punkt gebratene Gemüse. „Man schmeckt den Ingwer und Knoblauch fein raus, das Gemüse ist gut und die Soße okay“, zeigt Daftary sich mit dem Gesamtergebnis zwar zufrieden. Dennoch räumt er ein, dass man auch beim zweiten Gang kräftiger hätte salzen müssen.
Zum Abschluss geht's an ein Wochenspecial: das Rindfleisch „China Style“ in einer Ingwer-Tomaten-Sojasauce (neun Euro). Zum Standardgemüse gibt es außerdem Blumenkohl und Brokkoli, als Beilage Sushi-Reis. Dass Daftary mit der Auswahl diesmal glücklicher ist als mit dem Hähnchencurry, hat einen Grund: „das Salz stimmt hier voll. Ich glaube, er hat jetzt etwas mehr reingemacht als vorhin“, verrät der Geschäftsführer, der die vorherige Salzkritik anscheinend weitergeleitet hat. Und sich nun genauso wie ich über ein Ergebnis freuen kann, das sich im besten Sinne als ein Kind konstruktiver Kritik begreifen darf. Und zwar deshalb, weil nicht nur das Salz aus allen Zutaten – vom saftigen Rindergulasch bis hin zum wieder mal wunderbar knackigen Gemüse – das Beste herauskitzelt. Sondern weil, wie Daftary honoriert, auch die Schärfe stimmt und die leichte Zimtnote des Suds die aromatische Breite der frisch-leichten Sauce verlängert. Toller Abschluss!