Was bewegt so viele Menschen zur Nutzung von E-Bikes oder E-Scootern?
Mark Benn: E-Bikes und Scooter bieten eine andere Form der Mobilität, sie ermöglichen auch untrainierten Menschen hohe Geschwindigkeiten – für E-Bikes bis zu 25 m/h und E-Scooter bis zu 20 km/h – und sind deshalb attraktiv.
Was bedeutet dieser massenhafte Umstieg?
Die elektrische Unterstützung hat völlig neue Nutzergruppen erschlossen. Ältere Menschen, die wegen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr Rad gefahren sind, steigen nach mehrjähriger Pause vielleicht mit 70 aufs E-Bike. Das bedeutet ein erhöhtes Risiko, weil zum Beispiel in einer Gefahrensituation einfach die Übung oder Geschmeidigkeit beim plötzlichen Absprung fehlt. Und es wird schwieriger, Verkehrssituationen richtig einzuschätzen. Auch für Autofahrende natürlich, denn ältere Radfahrer bewegen sich nicht mehr mit 6 km/h auf eine Kreuzung zu, sondern viel schneller. Außerdem steigt generell die Durchschnittsgeschwindigkeit an.
Warum sind bei E-Bikes auf maximal 25 Stundenkilometer voreingestellt?
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit leitet sich aus den geltenden Gesetzen ab, die Klasse der Elektro-Kleinstfahrzeuge wurde zum Beispiel neu geschaffen, während E-Bikes den Fahrrädern gleichgestellt sind. An der zulässigen Geschwindigkeit orientiert sich auch die Konstruktion; Rahmen, Bremsen und Antrieb müssten bei deutlich höheren Geschwindigkeiten anders ausgelegt werden. Auch die Akkus und Motoren werden höher belastet und altern stärker, eine zu schnelle Entladung kann den Akku schädigen, der ohnehin empfindlich auf unsachgemäße Lagerung oder Fallenlassen reagiert.
Mehr Tempo durch Tuning bedeutet von jeher für manche eine Verlockung. Welche Möglichkeiten gibt es?
Es gibt sehr viele, zumeist illegale, technische Lösungen. Für 100 bis 200 Euro kann man im Internet verschiedene Tuningteile bekommen, Zwischenstecker oder komplette Steuergeräte, die sich zum Beispiel über Bluetooth vom Handy aus aktivieren lassen, sodass das E-Bike tatsächlich zum Beispiel 50 km/h fährt. Über Sensormanipulation kann dem Steuergerät unter Umständen die zulässige Geschwindigkeit vorgetäuscht werden, obwohl man schneller fährt. Oder die zulässige elektrische Anschubhilfe wirkt (dann illegal) bis zur Höchstgeschwindigkeit. Mit etwas handwerklichem Geschick lassen sich die rein elektronischen Bauteile ohne Probleme einbauen. Und das ist dann möglicherweise gefährlich und hat diverse Konsequenzen.
Wie lässt sich E-Tuning nachweisen?
Die Erkennbarkeit der technischen Veränderungen bei E-Bikes oder E-Scootern ist ganz, ganz schwer. Viele Teile lassen sich unsichtbar verbauen. Selbst bei Verkehrsunfällen wird dieser Aspekt bisher nur selten beachtet. Eine Begutachtung des E-Bikes oder E-Scooters erfolgt in der Regel nur dann, wenn die Geschwindigkeit ursächlich für einen schweren Unfall ist.
Was sagt die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung?
Ein E-Bike oder einen Elektroroller darf man in der Regel nicht tunen, die Konstruktion darf grundsätzlich nicht verändert werden. Es ergeben sich sonst weitreichende Änderungen. Ein E-Bike ist einem Fahrrad gleichgestellt, wenn eine abnehmende Tretunterstützung bis maximal 25 km/h gewährleistet ist. Eine Schiebehilfe ohne Tretunterstützung ist nur bis 6 km/h zulässig. Ansonsten wird das Gefährt zum Mofa und es werden Prüfbescheinigung, Versicherung und Helm zur Pflicht. Bei S-Pedelecs, die bis zu 45 km/h schnell werden, ist eine Fahrerlaubnis erforderlich und es darf ausschließlich auf der Straße gefahren werden. Auch E-Scooter sind keine Spielzeuge, sie dürfen ab 14 Jahren mit maximal 20 km/h bewegt werden, und es gelten Promillegrenzen wie beim Auto. Fahranfänger riskieren hier wegen der Null-Promille-Grenze den Führerschein. Diese sogenannten Elektrokleinstfahrzeuge dürfen übrigens regelmäßig nur einzeln besetzt sein.
Wie hoch ist die Strafe bei E-Bike-Tuning?
Die Bandbreite reicht von der Ordnungswidrigkeit bis zur Verkehrsstraftat. Sobald eine Gefährdung oder Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer auf Grundlage technischer Veränderungen vorliegt, fällt das häufig in den Bereich der Verkehrsstraftaten. Die Vorwürfe lauten dann regelmäßig: Fahren ohne Betriebserlaubnis, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fahren ohne Versicherungsschutz.
Wie viele Fälle getunter E-Bikes oder E-Scooter sind Ihnen bekannt?
Wir hatten in Bremen bisher nur einen Fall zur Prüfung, im Bereich der Monowheels (elektrische Einräder ohne Lenkstange mit zwei seitlichen Trittflächen, Anm. d.R.). Aber die Dunkelziffer ist sehr hoch.
Welche Aspekte sind Ihnen für die Zukunft für mehr Sicherheit wichtig?
Wegen der höheren Durchschnittsgeschwindigkeit die regelmäßige Wartung der E-Bikes, Überprüfung der Bremsen, Antrieb und Reifen. Eine Helmpflicht halte ich für sinnvoll, die gilt ja auch für Mofas, die ebenso maximal 25 km/h schnell sein dürfen. Für Menschen, die lange Zeit nicht im Fahrradsattel gesessen haben, sind Schulungen wichtig. Diese Trainings bieten zum Beispiel Verkehrswacht oder ADFC an. Außerdem wünsche ich mir mehr Überwachung und Schulung der Polizei, um das Bewusstsein für nicht auf den ersten Blick erkennbare Mängel zu schärfen.
Das Gespräch führte Ulrike Troue.