Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bremer Abnehmprogramm Mit jedem verlorenen Pfund wächst das Selbstbewusstsein

Elf Bremer Kinder und Jugendliche mit Übergewicht nehmen am Programm "Starke Kinder" der Diako-Gesundheitsimpulse teil. Zwei von ihnen berichten von ihren bisherigen Erfahrungen.
21.08.2023, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Mit jedem verlorenen Pfund wächst das Selbstbewusstsein
Von Ulrike Troue

Zum Kursbeginn vor sechs Monaten hatte Anastasia Chomenko ihr dichtes, blondes Haar noch zum Zopf zusammengebunden und war ganz in Schwarz gekleidet. Das ist vorbei, heute kommt die 13-Jährige mit offenem Haar, schwarzer Rüschenbluse und weißer Jeans zum Grillfest in die Diako-Gesundheitsimpulse. Sie nimmt am Programm "Starke Kinder" für Jugendliche mit Übergewicht teil, in das auch die Eltern fest eingebunden sind. Mit jedem verlorenen Pfund, das ist offensichtlich, steigt ihr Selbstbewusstsein.

"Ich ziehe jetzt auch manchmal T-Shirts an, das habe ich mir vorher nie getraut", erzählt Anastasia. "Ich fühle mich viel wohler in meinem Körper." Das befeuert zugleich ihren Ehrgeiz, mehr Sport zu treiben und sich gesünder zu ernähren. Bei Obst und Gemüse gebe es kaum Grenzen, sagt sie.

"Anastasia geht es richtig gut", stellt auch ihr Vater Vitali fest. Natürlich hänge das mit dem Projekt zusammen, das die Gesundheitswissenschaftlerin Angelika Junge leitet und eine ausführliche Ernährungsberatung, Hip-Hop, psychosoziale Beratungsstunden und gemeinsame Kochabende umfasst.  

Lesen Sie auch

Der eigene Wunsch, etwas zu verändern, ist nach Aussage von Angelika Junge die wichtigste Voraussetzung für die verbindliche Teilnahme an 60 Terminen. Und das sei schwer. Denn um abzunehmen, einen gesünderen Lebensstil zu pflegen und damit die Folgen von Adipositas zu mindern, brauche es langfristige Veränderungen der Gewohnheiten. "Bewusstseinsveränderung ist ein Prozess, der dauert", so Junge. 

Die Sehnsucht nach mehr Lebensfreude ist bei Anastasia schon sehr ausgeprägt. "Von der ersten bis zur fünften Klasse wurde ich wegen meines Aussehens immer gehänselt und gemobbt", sagt die Lesumerin. Beim Sport habe sie keiner in der Gruppe haben wollen. "Jungs haben mich manchmal geschlagen, davon hatte ich blaue Flecken." Und beim Schwimmen sei sie von einem Mitschüler so lange unter Wasser gedrückt worden, dass sie in einer lebensgefährlichen Situation gewesen sei, erinnert sich die Schülerin.

Nach ihrem Schulwechsel sei das mit dem Mobbing vorbei gewesen. "Ich habe auch Freunde gefunden", sagt die 13-Jährige. Ihr Übergewicht aber blieb und beunruhigte vor allem ihre Mutter. Sie habe ihr aus Sorge um ihre Gesundheit dann den Vorschlag zur Teilnahme am einjährigen Coaching in Gröpelingen gemacht – dafür ist Anastasia ihrer Mutter bis heute sehr dankbar.

Außer Schwimmen geht die Schülerin nun noch einmal pro Woche zum Hip-Hop-Tanzprojekt. "Das macht mir richtig Spaß", sagt sie. Und vor drei Wochen habe sie sich einen Smart-Hula-Hoop-Reifen gekauft, der nicht herunterfalle. "Gestern habe ich das sogar eine Stunde durchgezogen", sagt sie und strahlt.

Auf Süßes zu verzichten, fällt dem Teenager nach eigenen Worten nicht sonderlich schwer. "Ich kann ja Gummibärchen oder einen Riegel Schokolade essen, nur nicht jeden Tag", hat sie gelernt. Überhaupt habe sie inzwischen eine ausgeprägte Selbsterkenntnis und Disziplin entwickelt. "Meine Portionen haben sich sehr stark verkleinert, und ich halte auch die Pausen von vier Stunden zwischen den Mahlzeiten ein." Das sei zuvor ganz klar ihr persönliches Problem gewesen.

Durch das Programm hat Anastasia nicht nur mehr Lebensqualität, sondern auch eine neue Freundin gefunden: Zoey Schöttler. Die 13-Jährige kommt ebenfalls aus Bremen-Nord und sagt, dass es ihr heute "viel besser geht" als früher. Sie gehe jetzt regelmäßig Schwimmen und habe auch das kleine Trampolin wieder aus dem Keller geholt.

Zoeys Schwäche ist das Naschen. Heute weiß sie, wie sie gekaufte Kartoffelchips kalorienarm ersetzen kann. "Drei, vier Kartoffeln schälen, mit Paprikapulver bestreuen und 15 Minuten aufs Backblech." 

Auch ihre Mutter profitiert nach eigenen Worten von den Kursterminen: "Die sind immer sehr informativ und entspannend." Yvonne Schöttler versucht inzwischen, möglichst auf Haushaltszucker und Weizenmehl zu verzichten und stattdessen Algavendicksaft und Vollkornmehl zu verwenden. Weil Zoey sich vor vier Monaten plötzlich entschieden hat, sich nur noch vegetarisch zu ernähren, kocht die Mutter nach eigener Aussage fleischfrei und probiert neue Rezepte aus. Außerdem sei ihr Wissen über gute Fette gestiegen, sagt die alleinerziehende Mutter.

Und deshalb profitiere auch sie von dem Projekt. "Man reflektiert die eigenen Essgewohnheiten", gesteht Yvonne Schöttler. Dazu gehört auch, dass sie im Zuge des Projektes ein psychosoziales  Beratungsgespräch gehabt hätte. Mit der Erkenntnis: Ihre Tochter sei eine Frustesserin, die sich vielleicht auch durch die familiäre Situation einige Pfunde angefuttert haben könnte.

Zur Sache

Adipositas

Nach Studien des Robert-Koch-Instituts in Berlin sind Übergewicht und Adipositas bei sozial benachteiligten Kindern besonders ausgeprägt. Bei extrem hohem Übergewicht in jungen Jahren drohen gesundheitliche Folgen wie zum Beispiel Bluthochdruck, Diabetes, Gelenkverschleiß und eine geringere Lebenserwartung. 

Info

Nähere Auskünfte zu dem Projekt gibt es unter 0421/61 02 21 01 oder per E-Mail an gesundheitsimpulse@diako-bremen.de. Eine Adipositasberatung bietet das Zentrum für Adipositasschulung im "medicum" in Schwachhausen (Infos unter 0421/49 18 79 99 oder www.zabs-bremen.org).

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)