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Bauchaortenaneurysma: Vorsorge-Check Damit ein Aneurysma nicht platzt

Seit 2018 gibt es eine Vorsorgeuntersuchung für Männer ab 65 Jahren: Sie gelten als Hauptrisikogruppe für Erweiterungen an der Bauchschlagader. Ab welcher Größe eine Ruptur droht und wie operiert wird.
30.08.2021, 11:00 Uhr
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Damit ein Aneurysma nicht platzt
Von Sabine Doll

Helga Imme war zu einer Vorsorgeuntersuchung bei ihrem Hausarzt. Ein regulärer Termin, ohne akuten Anlass. Neben einer Blutentnahme und dem Messen des Blutdrucks gehörte auch ein Ultraschall des Bauchraums zu dem Gesundheitscheck. "Dabei hat der Arzt an einer Stelle der Bauchschlagader eine Erweiterung festgestellt", berichtet die 76-Jährige. Der medizinische Fachbegriff dafür lautet Bauchaortenaneurysma (BAA). Die Größe der Gefäßerweiterung: 5,3 Zentimeter im Durchmesser.

Helga Imme wurde von ihrem Hausarzt an ein Gefäßzentrum überwiesen. Denn: Ab einer bestimmten Größe steigt das Risiko, dass es zu einer Ruptur des Aneurysmas und damit zu einer lebensgefährlichen Blutung kommen kann. Bei Helga Imme wurde eine Stentprothese – eine Gefäßstütze – eingesetzt, die das Aneurysma und damit das Risiko einer Ruptur ausschalten soll.

Wie kommt es zu einem Bauchaortenaneurysma?

"Es gibt mehrere Risikofaktoren, dazu gehören langjähriger Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Arteriosklerose und vor allem auch Rauchen", sagt der Chefarzt des Gefäßzentrums am Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK) Bremen, Frank Marquardt. "Man weiß auch, dass für Patienten, deren Eltern etwa ein Bauchaortenaneurysma haben oder hatten, ebenfalls ein erhöhtes Risiko besteht. Eine gewisse Veranlagung ist nicht auszuschließen." Ein weiterer Faktor, der die Entstehung eines Bauchaortenaneurysmas fördern kann, ist laut dem Arzt eine Bindegewebsschwäche.

Wie häufig tritt es auf?

Laut Studien haben etwa zwei Prozent aller Männer zwischen 65 und 75 Jahren ein Aneurysma der Bauchschlagader. Frauen sind seltener betroffen – die Häufigkeit nimmt jedoch grundsätzlich mit dem Alter zu. Der Grund dafür: Die Hauptschlagader verliert mit zunehmenden Alter ihre Elastizität – und kann sich erweitern. Am häufigsten tritt diese krankhafte Veränderung an der Bauchaorta auf. Das Gefährliche: "Aneurysmen verursachen in der Regel keine Beschwerden und bleiben deshalb unbemerkt ", betont Marquardt. "Meistens werden sie bei anderen Untersuchungen entdeckt. Seit 2018 gibt es allerdings ein Screening für die Hauptrisikogruppe, die Vorsorgeuntersuchung wird für diese Gruppe von den Krankenkassen gezahlt."

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Wer hat Anspruch auf die Vorsorgeuntersuchung?

Gesetzlich versicherte Männer ab einem Alter von 65 Jahren haben einmalig Anspruch auf die Vorsorgeuntersuchung. Sie ist nicht verpflichtend, sondern ein Angebot. Per Ultraschall wird dabei der Durchmesser der Bauchschlagader gemessen. Die Untersuchung kann auch von der Hausärztin oder dem Hausarzt vorgenommen werden. Ziel ist es, frühzeitig ein mögliches Aneurysma zu entdecken und entsprechend darauf zu reagieren, bevor es gefährlich wird. Männer ab 65 Jahre haben laut Studien ein sechsmal höheres Risiko als Frauen für entsprechende Veränderungen an der Hauptschlagader. "Männer sind aufgrund der Lebensweise auch häufiger von Gefäßerkrankungen betroffen. Wenn man zur Risikogruppe gehört, sollte man eine Ultraschall-Untersuchung in Anspruch nehmen", rät der Chefarzt.

Wann besteht ein Risiko, dass es zum Riss kommt?

Je größer ein Aneurysma ist, desto höher ist die Gefahr, dass es platzen kann. Per Definition wird ab einem Durchmesser von drei Zentimetern von einem Aneurysma gesprochen. Marquardt: "Das heißt aber nicht, dass man bei drei Zentimetern sofort operiert. Bei Männern wird ab einem Durchmesser von 5,5 Zentimetern eine Operation empfohlen, bei Frauen ab fünf Zentimetern – oder wenn das Aneurysma in einem Jahr um mehr als einen Zentimeter wächst." Bei einem Durchmesser zwischen drei und 5,4 Zentimetern (bei Männern) empfehlen Fachleute, die Bauchschlagader regelmäßig per Ultraschall zu kontrollieren. Dehnt sie sich weiter, kann später ein operativer Eingriff sinnvoll sein, wie der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Patienteninformation zum Screening mitteilt.

Was bedeutet das Untersuchungsergebnis für die Betroffenen?

"Ein Teil der Aneurysmen, die bei der Untersuchung gefunden werden, wäre ohne Früherkennung niemals aufgefallen. Sie wären nicht gerissen, Kontrolluntersuchungen oder operative Eingriffe wären nicht erforderlich gewesen", heißt es in der Patienteninformation des Gemeinsamen Bundesausschusses. Solche harmlosen Aneurysmen ließen sich allerdings nicht sicher von gefährlichen Aneurysmen unterscheiden. Nach Schätzungen bleibe etwa die Hälfte der entdeckten Aneurysmen harmlos. Für manche sei daher das Wissen um die Erweiterung an der Bauchaorta auch belastend – andere Patienten hätten angegeben, sie seien froh, dass das Aneurysma festgestellt worden sei. Im Vorfeld der Untersuchung sollen die Betroffenen daher ausführlich beraten und aufgeklärt werden.

Wie wird ein Aneurysma operiert?

Bei der Operation wird eine Prothese eingesetzt beziehungsweise eingenäht, sie soll den Druck des Bluts von der kranken Gefäßwand nehmen. Es gibt zwei OP-Verfahren: die offene Operation über einen Bauchschnitt. Oder: ein endovaskulärer Eingriff über einen kleinen Schnitt in der Leiste. Bei der offenen Operation wird die Hauptschlagader abgeklemmt und dort durch das Einnähen einer Prothese ersetzt. Bei der endovaskulären Methode wird über einen Zugang an der Leiste eine Stentprothese beziehungsweise ein Röhrchen per Katheter an die entsprechende Stelle vorgeschoben, um das Aneurysma auszuschalten.

Was sind die Risiken des Eingriffs?

"Beide Eingriffe können Leben retten. Sie können aber auch zu schwerwiegenden Komplikationen führen, beispielsweise einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Lungenentzündung", heißt es in der Information des Gemeinsamen Bundesausschusses. Daher sei es immer eine individuelle Entscheidung, für die vor allem auch der Gesundheitszustand der Patienten maßgeblich sei. Eine offene Operation sei für ältere Menschen und Patienten mit schweren Begleiterkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Atemwege oder der Niere häufig nicht geeignet, weil diese Operation für sie zu risikoreich sei, teilt das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) auf seiner Internetseite gesundheitsinformation.de mit. "Bei einer offenen Operation ist im Vergleich zum endovaskulären Verfahren die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Nachfolgeeingriffe erforderlich werden", so der Bremer Gefäßspezialist Marquardt. "Es ist daher immer eine Risiko-Abwägung."

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