Rauchfreier und diskreter Nikotingenuss ohne krebserregenden Tabak – so und ähnlich werben Anbieter von Nikotin-Beuteln. Behörden wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Deutschland warnen ausdrücklich vor gesundheitlichen Risiken, Vergiftungen und Suchtgefahr durch den Konsum der Produkte, die vor allem bei jungen Menschen beliebt seien.
Was sind Nikotin-Beutel?
Die kleinen Päckchen mit dem pulverartigen Inhalt wirken im Vergleich zu einer qualmenden Zigarette fast harmlos. Ähnlich wie ein Kaugummi oder ein Bonbon werden sie in den Mund geschoben, etwa zwischen Lippe und Zahnfleisch eingeklemmt und nach einer gewissen Zeit unzerkaut wieder ausgespuckt. Die Beutel sind in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen erhältlich; die einen schmecken nach Zitrone, andere nach Wassermelone oder Minze. Vor allem bei jungen Menschen komme dies gut an, wie Suchtexperten und Gesundheitsbehörden warnen. Wegen des zunehmend negativen Images von Zigaretten würden Hersteller mit den auch als "Nikotin-Pouches", "Nic-Bags" oder als "Nicopods" bezeichneten Produkten diese Altersgruppen gezielt ansprechen. Die Beutel gibt es in unterschiedlichen Größen – und mit unterschiedlichem Nikotingehalt.
Woraus besteht das Pulver?
"Die Beutel enthalten ein Pulver, das aus Nikotinsalzen und Trägerstoffen besteht", teilt das BfR mit. Wie viel Nikotin in den Beuteln enthalten ist, schwankt erheblich: Die höchste Konzentration, die dem Bundesinstitut bekannt sei, liege bei 47,5 Milligramm pro Beutel, die geringste bei 1,79 Milligramm.
Wie viel Nikotin wird aufgenommen?
Laut dem Bundesinstitut kann mindestens die Hälfte des Nikotins im Beutel über die Mundschleimhaut aufgenommen werden. Der Nikotinspiegel im Blut könne so hohe Werte wie nach dem Konsum herkömmlicher Zigaretten und mancher E-Zigaretten erreichen. Bei hoch dosierten Produkten liege er sogar noch deutlich höher als nach einer Zigarette, warnt das BfR. "Die Anflutung von Nikotin im Blut war vergleichbar mit der Anflutung nach Zigarettenkonsum – was auf eine vergleichbar suchtauslösende Wirkung von hoch dosierten Nikotin-Beuteln hinweist, wie sie für Zigaretten bekannt ist." Zu diesem Ergebnis kommen die Experten in einer aktualisierten gesundheitlichen Bewertung von Nikotin-Beuteln, die Ende vergangener Woche veröffentlicht wurde.
Wie gefährlich ist Nikotin – und wer ist besonders gefährdet?
"Nikotin führt zu einer Steigerung von Totgeburten, und es hat starke Effekte auf das Herz-Kreislauf-System. Die Langzeiteffekte einer Verwendung von Nikotin-Beuteln lassen sich aufgrund der wenigen vorliegenden Daten nicht beurteilen", schreiben die Experten. Gesundheitsrisiken sehen sie insbesondere für Kinder, Jugendliche und Nichtraucher, da Nikotin eine suchterzeugende Wirkung habe. Explizit auch für Schwangere und Stillende sowie für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Je höher der Nikotin-Gehalt sei, desto größer das Risiko – insbesondere, wenn die Konzentration sogar noch stärker als bei Zigaretten ausfalle. Wobei der Zigarettenkonsum keinesfalls verharmlost werden dürfe, betonen Experten. Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum enthält eine Zigarette bis zu 13 Milligramm Nikotin, wovon beim Rauchen zwischen einem und zwei Milligramm pro Zigarette aufgenommen würden. Bei einem Konsum von 20 Zigaretten am Tag seien dies zwischen 20 und 40 Milligramm Nikotin über den Tag verteilt.
Besteht die Gefahr von Nikotin-Vergiftungen?
Giftinformationszentren hätten von Vergiftungsfällen mit Nikotin-Beuteln berichtet. "In einem Fall wurde ein Beutel mit 20 Milligramm Nikotin verschluckt. Die betroffene Person erhielt vom Rettungsdienst Aktivkohle, außer Bauchschmerzen entwickelte sich keine Symptomatik", teilt das BfR mit. Im April 2022 sei von mehreren Vergiftungsfällen mit Nikotin-Beuteln berichtet worden. Als Symptome seien Übelkeit und Erbrechen sowie "Kaltschweißigkeit" beschrieben worden.
Wie ist der Verkauf geregelt – auch in anderen Ländern?
In Deutschland werden die Nikotin-Beutel als neuartige Lebensmittel ("Novel Food") eingestuft. Dafür gibt es keine Zulassung, weshalb der Verkauf verboten ist. Das trifft jedoch nicht auf den Online-Handel zu, über den die Beutel weiterhin erhältlich sind. In anderen Ländern wie Österreich dürfen Nikotin-Beutel verkauft werden – auch an Jugendliche, da die Beutel im Gegensatz zu Zigaretten nicht unter das Tabakgesetz fallen. Das Land Vorarlberg will diese Grenze mit einer Novelle des Kinder- und Jugendgesetzes jetzt einziehen. Der Verkauf soll dann erst ab 18 Jahren möglich sein. In der Pandemie habe der Konsum von Nikotin-Beuteln bei Jugendlichen in Österreich zugenommen. "Das ist ein echtes Problem", sagte Rainer Schmidbauer, Leiter des Instituts für Suchtprävention in Linz der Tageszeitung "Kurier". "Denn die Nic-Bags werden als moderne, trendige und sogar als gesunde Alternative zu herkömmlichen Tabakprodukten vermarkten. Dabei machen sie extrem schnell süchtig." In den Niederlanden etwa sind laut BfR Nikotinbeutel, die 0,035 Milligramm oder mehr Nikotin enthalten, verboten. In Dänemark sei die Einführung eines nationalen Registers für tabakfreie Nikotinbeutel geplant.