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Serie: Ein kleines Paradies Wie eine Bremer Familie ihren Hinterhof zur Naturoase umgestaltet hat

Viel Platz hatten Janis Breden und Sina Wick nicht – ihren Hinterhof in Walle verwandelte die junge Familie dennoch in eine Naturoase. Wie auf 20 Quadratmetern ein echtes Gartenglück entstanden ist.
02.08.2025, 05:00 Uhr
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Von Anke Velten

Von der Dachterrasse auf der zweiten Etage hat die Kamera alles im Blick: die Bäume, Sträucher und Stauden, das Schattenplätzchen mit dem hölzernen Liegestuhl, die Sitzecke, an der man morgens den ersten Kaffee und an schönen Abenden ein Glas Wein trinkt – und mittendrin Janis Breden, Sina Wick und der kleine Mads, die mit der Sonne um die Wette strahlen. Sie können auch stolz darauf sein, was sie hier geschaffen haben, denn noch vor wenigen Jahren wäre nichts davon zu sehen gewesen. Die Familie hat ein altes Reihenhäuschen in ein Schmuckstück und einen öden Hinterhof ein kleines Paradies verwandelt. Sie zeigt, wie viel Leben und Freude in einem Stadtgärtchen von gerade einmal 20 Quadratmetern stecken können.

Wir befinden uns in einem niedlichen Häuschen in einem Waller Wohnquartier. Man wohnt eng beieinander, Nachbarschaft könne hier gedeihen, erzählt das Paar. Im Sommer werde gemeinsam auf der Straße gegrillt, im Winter treffe sich Jung und Alt zum Glühweintrinken, man helfe sich gegenseitig. „Es ist wie auf dem Dorf in der Stadt“, sagt Breden. „Trotzdem hängt man sich nicht auf der Pelle.“ Ursprünglich war das Neubaugebiet in Hafennähe vor rund 125 Jahren für die Familien von Arbeitern, Handwerkern und Matrosen angelegt worden. Die Straßen hatte man nach preußischen Generälen benannt, die unter Friedrich dem Großen in den schlesischen Kriegen kämpften. Unter heutigen Generationen ist diese Erinnerung verblasst, man spricht hier meistens vom Zietenviertel – benannt nach der pittoresken Verbindungsstraße zwischen Helgolander- und Elisabethstraße.

Viel Platz habe es damals nicht gegeben, aber dafür den seinerzeit ungewöhnlichen Komfort eines modernen Wasserspülklosetts, erklärt Breden. Wir spulen vor ins Jahr 2018, als er das Häuschen an der Winterfeldtstraße von zwei betagten Schwestern erwarb, den historischen Kern unter Schichten von Teppichböden, Tapeten und Deckenverkleidungen freilegte und ein helles, freundliches Zuhause einrichtete, in dem neben der dreiköpfigen Familie auch Katze Polli und Hund Kelly wohnen. Der Hausherr zeigt ein Foto, wie es früher hinter dem Haus aussah: kein Garten, sondern eine leblose Einöde, komplett zubetoniert mit rotem Wabenpflaster, wie man es in den 1970er-Jahren schick fand. Nur aus einer Mauerfuge hatte sich ein tapferes Kräutlein gekämpft. Ihm sei von Anfang an klar gewesen: So sollte es nicht bleiben.

Und so wurde das Betonpflaster entfernt und schubkarrenweise durch Küche und Wohnzimmer auf die Straßenseite gebracht. Vor dem Küchenfenster entstand eine kleine Terrasse auf Wesersandstein. Die übrige Fläche wurde mit gutem Mutterboden vorbereitet. Dort zog als erstes eine Kornelkirsche aus der Baumschule im Bremer Umland ein. Eine sehr bewusste Wahl: „Sie wächst kompakt und wird nicht zu groß“, erklärt der Chefgärtner. Für sie spreche zudem, dass ihre gelben Blüten schon im zeitigen Frühjahr Nahrung bieten für Insekten. Im Herbst seien ihre roten Früchte Leckerbissen für viele Vogelarten. Auf den Beetstreifen an Hauswand und Mauer leuchten die Blüten von Kapuzinerkresse, Katzenminze, Storchenschnabel und Beinwell.

Er sei ein echtes Stadtkind, „aber immer viel draußen“ erzählt der 42-Jährige, der in Walle aufgewachsen ist. Die Eltern bewirtschafteten eine Parzelle und vererbten das Interesse an Naturschutz und Umweltthemen. Es sei ihm daher wichtig gewesen, den Garten ökologisch wertvoll zu gestalten, sagt er. Eine Ausnahme wurde dem Fliederbusch gestattet, der einst vor dem Elternhaus stand und eine neue Bleibe brauchte. Man müsse auch nicht zu fundamentalistisch sein, sagt Breden.

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An der Mauer des kleinen Schuppens, gut versteckt hinter der Felsenbirne, hängt ein Vogelhäuschen, in dem seit Jahren junge Kohlmeisen aufgezogen werden. Die Beobachtung der Vögel sei für den eineinhalbjährigen Mads „das schönste Kino“, erklärt Mama Sina. Vieles im Garten ist ererbt, überlassen, gefunden und wiederverwertet: Das Stück des originalen Gartenzauns mit der 125 Jahre alten Patina wurde vom Sperrmüll in der Nachbarschaft gerettet und dient nun als dekoratives Ornament an der Außenmauer. „Wir finden es schön, dass er hier weiterleben kann“, sagt sie. Backsteine aus einer Wand, die beim Umbau weichen musste, dienen nun als Trittsteine. Zwischen den Fugen wachsen Sedum und Thymian. Eine alte Zinkgießkanne wurde zum Blumentopf umfunktioniert. Der Aufwand für die „bewusste Wildnis“ sei gering: Mal hier und da etwas zupfen, Verblühtes schneiden. Wenn es nottue, mit dem Wasser aus der Regentonne gießen. Die Gartenarbeitszeit betrage maximal eine Stunde pro Woche, schätzt Janis Breden.

Über die kleine Naturoase freuen sich aber längst nicht nur die menschlichen Bewohner. Sobald das Buffet angerichtet war, seien Wildbienen und Schmetterlinge eingezogen, die man vorher hier nie gesehen habe, erzählt das Paar. Zu Besuch kommen neben Meisen, Amseln und Spatzen auch seltenere Gäste wie Hausrotschwanz, Stieglitz, Grünspecht oder Buchfink. Bei der „Stunde der Gartenvögel“, zu der die Naturschutzorganisation Nabu jährlich aufruft, habe man im Mai sechs verschiedene Vogelarten gezählt, berichtet Sina Wick. Am Anfang habe die kleine Gartenanlage ordentlich Fleiß und Schweiß gekostet, erklärt Janis Breden. Doch das habe sich ausgezahlt. An dem Waller Gärtchen könne man sehen, dass man selbst auf kleinstem Raum viel bewegen könne. „Es bringt was für die Natur“, sagt er. „Das merkst du sofort.“

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