Eine Hummel fliegt durch den Großstadtdschungel, auf der Suche nach Pollen und Nektar. Der ganze Beton hilft ihr nicht weiter – aber der Löwenzahn, der zwischen den Gehwegplatten wächst. Das reicht allerdings nur als Treibstoff für die nächste Kurzstrecke. Kurz bevor der Hummel wieder die Energie ausgeht, findet sie eine kleine Oase mit heimischen Pflanzen. Diese Oase nennen Biologen Trittstein. Das ist eine kleine Insel im städtischen Betonmeer, auf der Insekten Nahrung finden – so können sie von Trittstein zu Trittstein wandern, um schließlich wieder in ihrer Heimat zu landen, einem größeren Garten oder Park. Zum hummeligen Feierabend.
Ohne das Prinzip der Trittsteine zu kennen, haben mein Mann und ich vor fünf Jahren so eine kleine Oase für Insekten in unserem 25 Quadratmeter großen Garten angelegt. Nach einigen Fehlschlägen zeigt der Mix aus sonnenliebenden Kräutern, Wildrosen und weiteren insektenfreundlichen Stauden eine erstaunliche Artenvielfalt.
Zu Besuch kommen Hornissen-Schwebfliegen, Garten-Wollbienen und Schmetterlinge wie das Blutströpfchen – alle auf der Durchreise zum Auftanken. Wie die Igel auf ihrer nächtlichen Suche nach einem Nacktschnecken-Snack oder die Hornisse, die an den Kräutern Honigbienen jagt. Fressen und gefressen werden auf kleinstem Raum, ein kleines pestizidfreies Utopia, in dem der Kreislauf der Natur wieder zu stimmen scheint.

Nachtfalter, wie diese Achateule an den Blüten einer Katzenminze, sind unterschätzte Schmetterlinge und wichtige Bestäuber von Pflanzen.
Die nähere Umgebung bietet eine sinnvolle Ergänzung: Ohne die alten Obstbäume auf dem Nachbarsgrundstück, die den Bienen früh Nahrung bieten und Nistplätze im Holz, und ohne den großen Garten auf der anderen Hausseite könnte unser kleiner Garten sicher nicht so vielen Insektenarten als Buffet dienen. Denn nicht nur die richtigen Nektar- und Pollenpflanzen sind wichtig, sondern auch Nistmöglichkeiten und Futterpflanzen, zum Beispiel für Schmetterlingsraupen. Auch ein großes Hornissenvolk braucht Platz, den es in der nahe gelegenen Kastanie findet.
In einem Trittstein gibt es vielleicht nicht viel Platz zum Nisten, aber sie sind ein wichtiger Baustein für die Vielfalt in einer Welt, in der immer mehr Fläche verdichtet oder bewirtschaftet wird. Auch Balkone und Terrassen können wichtige Trittsteine sein, vor allem in Städten oder in Vorstadtsiedlungen, erklärt Biologin Sylke Brünn vom Landesverband der Gartenfreunde Bremen.

Insekten brauchen auch einen Unterschlupf: Hinter der zarten Blüte der Prachtkerze wartet ein mit Stroh gefülltes Keramikgefäß auf nützliche Bewohner wie Ohrwürmer.
Jede Blüte zählt: In Deutschland gibt es rund 17 Millionen private Gärten mit einer Fläche von etwa 680.000 Hektar, rechnet Sylke Brünn vor. Obendrauf kommen rund 900.000 Kleingärten mit einer Fläche von 40.000 Hektar. Das ergibt zusammen eine Garten-Fläche von 720.000 Hektar. Zum Vergleich: „Die Fläche aller deutschen Naturschutzgebiete umfasst 1.438.635 Hektar, damit ist die verfügbare Gartenfläche ungefähr halb so groß wie alle Naturschutzgebiete zusammen“, so Brünn.
Vergleichbare Zahlen für Bremen kennt die Biologin nicht – aber die Zahl der Kleingärten in der Stadt Bremen wird auf 18.000 geschätzt. „Die Fläche der Kleingartenanlagen in der Stadt Bremen hingegen ist bekannt: Sie beträgt 960 Hektar und 70 Hektar Rahmengrün. Zum Vergleich: Die Fläche der kommunalen Park- und Grünanlagen der Stadt Bremen liegt bei 820 Hektar und der nicht kommunalen bei 493 Hektar“, erklärt Brünn weiter.

Auch im Schatten gibt es Futter: Die Blüten der Funkien liefern Hummeln eine Menge Nektar und Pollen.
Was wäre das für eine biologische Vielfalt, wenn jede Gartenbesitzerin und jeder Garteninhaber in Deutschland nur einen Quadratmeter mit insektenfreundlichen Wildpflanzen gestaltet? „Das wären wunderbare 18 Millionen Quadratmeter oder 1800 Hektar an Fläche“, schwärmt Brünn. 18 Millionen Trittsteine, ganz zu schweigen von all den größeren, naturfreundlichen Gärten in Deutschland. Das wäre ein gewaltiger Schritt, um die Vielfalt in der Natur in Deutschland wieder zu erhöhen. Und dafür muss der eigene Beitrag nicht groß, zeitaufwendig oder kostenintensiv sein.
Gerade das naturnahe Gärtnern kann dabei helfen, Kosten zu sparen: Wer auf heimische Wildpflanzen setzt, die im Garten wandern, also sich selbst aussäen, und wer die vorhandenen Pflanzen durch Teilung vermehrt, braucht nicht jedes Frühjahr neue Pflanzen kaufen. Gärtnern im Einklang mit der Natur heißt auch, Unordnung zuzulassen – auch wenn es nur in einer Ecke ist. Einfach mal nicht aufräumen spart eine Menge Zeit und die Tierwelt siedelt sich an. Darüber hinaus hat das Gärtnern auch einen therapeutischen Effekt: Wie Gartentherapeutin Susanne Büssenschütt aus dem Landkreis Verden erklärt, kann Gärtnern glücklich machen. Selbst ein Garten auf kleinstem Raum oder sogar nur auf einem Balkon hilft also nicht nur der Natur, sondern auch einem selbst.