Gemütlich rollt die alte Berna auf die Haltestelle zu. Bereit, die ersten Fahrgäste des Tages einzusammeln. Doch die stehen ahnungslos auf der falschen Straßenseite. Fröhlich winkt Hubert Wöll die Familie mit zwei kleinen Kindern zu sich hinüber. Er ist der Besitzer der Berna, ein Nostalgiebus mit ordentlich Kilometern auf dem Tacho. „Mit mehr als 1,8 Millionen Kilometern hat der Bus schon vier Mal die Welt umrundet“, sagt der Fahrer stolz. Das Schweizer Gefährt aus Aluminium, Baujahr 1959, gehört fest zum Bild der kleinen Ortschaft Pertisau, die direkt am Achensee liegt.
Der wunderbar türkisblau strahlende See ist der größte in Tirol. Er liegt eingebettet zwischen dem Karwendel und dem Rofangebirge. Doch im Vergleich zu seinem 45 Kilometer entfernten deutschen Pendant, dem Tegernsee, gibt es in dieser Ferienregion im Sommer weniger Trubel.

Ein harmonisches Duo: Hubert Wöll und sein Nostalgiebus Berna.
Das weiß auch Hubert Wöll, der seinen gepflegten Oldtimer mit den 30 roten Ledersitzen und Blümchen an den Fenstern nur selten richtig voll bekommt. Seit 28 Jahren kutschiert er von Mai bis Oktober Touristen auf die auf 1263 Metern liegende Gramai Alm. Der 42-Jährige sitzt seit 20 Jahren hinter dem großen Lenkrad. „Langweilig wird das nicht. Im Gegenteil. Wir singen, streiten und lachen“, sagt der gebürtige Pertisauer, während er mit gut 40 Stundenkilometern den Bus den Berg hinauf lenkt – vorbei an Gämsen, die vom Berg hinüberschauen.

Auf der Gramai Alm warten Ziegen und andere Tiere auf ein paar Streicheleinheiten.
Nach gemütlichen zehn Kilometern ist die Alm erreicht. Dort stürzen sich die Kinder der Familie, Clara und ihr kleiner Bruder Lasse, gleich ins Abenteuer. Sie streicheln Hasen und Ziegen, toben auf dem Spielplatz, durchlaufen den Kneipp-Weg und hüpfen auf dem Trampolin. Ihre Eltern genießen derweil auf der Terrasse den Blick auf die imposanten Berge und regionale Köstlichkeiten. Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann sich im Genussladen mit einheimischen Spezialitäten eindecken. Während die meisten Gäste den Berg hinab wandern, steigt die vierköpfige Familie erneut zu Hubert Wöll in den Bus. Nun sind sie die einzigen Mitfahrer. Das sei nicht ungewöhnlich, so der Fahrer. Die meisten Gäste würden nur eine Strecke fahren.
Wöll ist einer von rund 680 Einwohnern in Pertisau. Wobei die Zahl schwankt, je nachdem, wen man fragt. Klar ist, dass mit gut 3500 Gästebetten im Ort jeder von ihnen sein Geld mit dem Tourismus verdient. Die kleine Ortschaft am Westufer des Sees ist mit einer 200-jährigen Geschichte einer der ältesten Tourismusorte Tirols. „Die Bettenvermietung haben Bauern ins Leben gerufen. Ein kleiner Bauer hatte 40 Betten, ein großer 200“, sagt Hans Entner. Der 56-Jährige ist selbst Landwirt und betreibt das Familienhotel Wiesenhof mit 140 Betten. Die Mauern, hinter denen heute Wurst und Käse zum Frühstück serviert werden, sind 380 Jahre alt. Dort befand sich einst das Wohnzimmer eines alten Bauernhauses, verrät Entner. Er ist mit Leib und Seele Gastgeber und das in der vierten Generation. Sein Bruder, seine Cousinen und Cousins sind ebenfalls Hoteliers im Ort.

Die Region Achensee bietet für Familien viele Freizeitmöglichkeiten im Urlaub, darunter auch jede Menge Wassersport.
Die Region ist das ganze Jahr über ein lohnenswertes Urlaubsziel. Im Winter locken die schneebedeckten Berge Ski- und Snowboardfahrer. Im Sommer erobern Wanderer und Mountainbike-Fahrer die Berge, Gleitschirmflieger die Lüfte sowie Wasserratten und -sportler das kühle Nass des Achensees. Selbst in den heißen Monaten ist das Wasser selten wärmer als
20 Grad Celsius.
Wenngleich die Temperatur es nicht ist, so erinnert doch die Farbe an das Karibische Meer. Woher kommt die türkisblaue Färbung des bis zu 133 Meter tiefen Sees? Er ist einerseits nährstoffarm, andererseits liegt er in einem kalkreichen Gebiet. Das helle Kalkgestein lässt das Wasser türkisblau bis aquamarin schimmern.
Das Meer Tirols, wie der See auch genannt wird, ist im Sommer Schauplatz für verschiedene Wassersportarten. So lässt sich entspannt die Natur auf einem großen Surfbrett beim Stand-up-Paddling genießen. Das geht hingegen auch prima in einem Tretboot, Kajak, Kanu oder gar in einem Segelboot. Am Achensee herrschen häufig perfekte Windbedingungen für Segler. Wer hingegen dem See so richtig auf den Grund gehen möchte, steigt in einen Tauchanzug. An manchen Tagen beträgt die Sichtweite bei der guten Wasserqualität bis zu zehn Meter. Doch auch Strandgänger kommen auf ihre Kosten. Gleich sechs Bademöglichkeiten befinden sich im südlicheren Teil. Empfehlenswert ist auch eine Fahrt mit einem der vier Schiffe, die den See regelmäßig kreuzen.
Ein ganz anderes Vergnügen wartet an der Schiffsanlegestelle Seespitz bei
Maurach. Dort dampft, schnaubt und pfeift eine alte schwarze Dame. Es ist die Achenseebahn, die nach zweijähriger Pause wieder zwischen Jenbach im Tal und dem See pendelt. Für die Passagiere eine Zugfahrt wie zu Kaisers Zeiten auf einer Spurweite von einem Meter. Die Dampfzahnradbahn wurde bereits 1889 feierlich eröffnet und verströmt noch heute nostalgisches Flair. Um die sechs Kilometer lange Strecke in etwa 45 Minuten zu schaffen, muss die Lokomotive schon drei Stunden vor Fahrtbeginn langsam angeheizt werden. Nur so baut sich genügend Druck im Kessel auf.
Wer in den Alpen Urlaub macht, den zieht es unweigerlich auch in die Berge. Für Familien und ihre kleinen Bergsteiger ist zum Beispiel der Alpentiere-Rundwanderweg kein Problem. Zunächst geht es mit der Karwendel-Bergbahn auf den Zwölferkopf, dem Ausgangspunkt. Auf einer Länge von drei Kilometern entdecken die Wanderer Rehe, Gämse, Braunbären sowie andere Bewohner und lernen ihre Gewohnheiten kennen. Sanft rauscht der Wind durch die Baumkronen, während Clara und ihr Papa mucksmäuschenstill durch den Wald schleichen. Plötzlich fragt die Sechsjährige, ob das fahrende Autos seien, was sie da hört. Ihr Vater schmunzelt und denkt: typisch Großstadtkind. Nach gut 90 Minuten haben die beiden den Rundgang geschafft und nun viel zu erzählen.

Golfen ist in der Region Achensee fest verankert. Seit vergangenem Sommer können auch Nicht-Profis auf einer Minigolf-Anlage ein paar Bälle schlagen.
Die Region Achensee ist auch unter Golfern bestens bekannt. Der 18-Loch-Platz in Pertisau ist 100 Jahre alt und damit der älteste in Tirol. Seit dem Sommer ist sie um einen Golfplatz reicher. Wobei der Minigolfplatz am Alpenhof Hotel nicht wirklich neu ist. Das einstige Grandhotel liegt seit 50 Jahren brach. „Das Hotel war ein richtiger Lost Place“, sagt Entner, der das Haus zusammen mit Freunden gekauft hat. Alles sei zerstört gewesen, der Minigolfplatz eine Müllhalde. „In archäologischer Kleinstarbeit haben wir alles wieder freigelegt. Die Bahnen sind die originalen von damals“, sagt der Eigentümer stolz.
Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nach einem wunderbaren Tag am Achensee lässt sich dieser dort in gemütlicher Abendstimmung ausklingen. Während der See still ruht, rollen die Minigolfbälle. Die alten roten Bahnen sind nicht nur für Kinder wie Clara eine Herausforderung. Auch ihren ungeübten Eltern gelingt nur manchmal ein erfolgreicher Schlag. Spaß haben sie trotzdem und genießen die einzigartige Kulisse in den Alpen – wie schon während ihres gesamten Urlaubs am Achensee. Ferien, die noch lange nachwirken und die sicher nicht die letzten am wunderbaren Meer Tirols gewesen sein werden.