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Marmoriert oder gespritzt: In Prinzhöfte werden Millionen farbige Eier für Ostern produziert Das kleine Bunte

Prinzhöfte. Das Osterei kennt keine Mode. Die Maße des Ovals stehen: etwa 42 Millimeter Durchmesser und 58 Millimeter Länge.
15.04.2017, 00:00 Uhr
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Das kleine Bunte
Von Lisa Schröder

Prinzhöfte. Das Osterei kennt keine Mode. Die Maße des Ovals stehen: etwa 42 Millimeter Durchmesser und 58 Millimeter Länge. Gewicht: 53 bis 63 Gramm. Trends bei der Nest-Ware? Kennen die Profis nicht. „Die Farben sind bei uns seit Jahren gleich“, sagt einer, der es wissen muss. Aloys Pundt ist einer von drei Geschäftsführern der Eierfärberei Waden in Prinzhöfte im Landkreis Oldenburg. Trends sind auch gar nicht nötig, denn die Nachfrage ist ohnehin groß. Insgesamt 40 Millionen gefärbte Eier werden hier von Januar bis Ostern für den Lebensmittelhandel produziert.

Eigentlich hat Aloys Pundt in diesen Tagen gar keine Zeit für ein Gespräch. Denn vor den Feiertagen herrscht Hochbetrieb. In der niedersächsischen Färberei stehen die Maschinen kaum still. Keine Diskussion, wann die Eier ins Wasser gelegt und ob sie erst noch abgeschreckt werden müssen – der Takt ist genau vorgegeben: In der Kochstraße werden die Eier auf dem Fließband Wasserdampf ausgesetzt und im Anschluss dann in kochendes Wasser gelegt. 95,5 Grad erreichen sie bei der Prozedur – für genau 8.20 Minuten. Dann geht es für die noch warmen Ovale gleich weiter zur Farbstation. Dort werden sie marmoriert. In sechs Reihen nehmen sie Farbe an: lila, blau, pink, grün, orange, gelb. In einem Aufzug fahren sie auf und ab, trocknen, werden schließlich von einem Mitarbeiter per Hand in einen der Kartons gelegt. Eine halbe Stunde dauert die Wandlung von der Rohware bis zum fertigen Osterei.

In der Produktion riecht es nach Unmengen gekochten Eiern. Große Abluftanlagen hängen von der Decke. Die Maschinen zischen und rattern. Ein Radiosender arbeitet gegen die Geräuschkulisse an. Dann geht die Sirene los. Der Betrieb wechselt von S- auf M-Eier. In seinem gläsernen Büro, direkt in der Halle, sitzt Max Dix. „Ich bin der Osterhase“, stellt sich der Färbemeister vor und lacht. Seit vier Jahren kümmert er sich um neue Aufträge, kontrolliert die Qualität und plant den Einsatz der Mitarbeiter. Meistens sei er in der Färberei unterwegs. Die bunten Kleckse auf seinen Händen bezeugen das. 50 Mitarbeiter sind hier derzeit in drei Schichten im Einsatz. Vier Maschinen laufen fast durchgehend. Die Eier werden wahlweise marmoriert oder besprüht. Selten sind sie vorher braun: Auf den weißen Eiern leuchten die Farben heller.

Supermarktketten als Kunden

Jetzt geht das Telefon. Ein Discounter bestellt bei Lebensmitteltechniker Dix mehr von der begehrten Ware. Dix sagt zu. 90 Kartons und damit mehr als 10 000 Eier sind geordert. Der Handel muss beliefert werden, sagt Pundt. Aufträge ausschlagen oder streichen, das gehe eigentlich nicht. „Das haben die nicht so gerne.“

Waden produziert unter anderem für Aldi, Lidl, Edeka oder Netto in der Region und weit darüber hinaus. Jedes Jahr kommen Saisonarbeiter aus Polen nach Prinzhöfte, um die bunten Eier für Ostern zu produzieren. Sonst könnte der Betrieb die Nachfrage in diesen Wochen gar nicht decken. Es seien immer wieder dieselben dabei, sagt der Geschäftsführer: „Gute Leute.“

Der Betrieb in Prinzhöfte färbt Eier nicht nur, sondern schält sie auch. Dieses Geschäft ist für das Unternehmen noch wichtiger. Das Firmenzeichen der Waden GmbH ist deshalb ein braunes Ei, das von einem Reißverschluss geöffnet wird. In ganz Europa vertreibt das Unternehmen die gekochte und schalenfreie Ware – bis nach Ungarn, Österreich, in die Schweiz oder Skandinavien. Insgesamt weit mehr als 240 Millionen geschälte Eier verlassen den Betrieb jährlich.

„Wir sind in Europa der größte oder zweitgrößte Betrieb“, sagt Pundt. Größere Eierfärbereien gebe es dagegen schon in Süddeutschland. Dort und im Ruhrgebiet seien bunte Eier stärker in der Tradition verankert, die Nachfrage sei größer. Doch in Norddeutschland sei man sicher „der größte oder zweitgrößte Färbebetrieb“. Der Geschäftsführer aus Lohne setzt auf Understatement. Über die erfreulichen Bilanzzahlen der Waden GmbH im vergangenen Jahr will er gar nicht groß sprechen. Einen Umsatz von 60 Millionen Euro erreichte der Betrieb.

In der Spritzmaschine werden auf weiße Eier gerade Regenbogenfarben aufgesprüht. Die Eier drehen eine Runde um sich selbst, am Ende des Eiertanzes sind sie von allen Seiten bunt. 40 000 bunte Eier können in der Stunde insgesamt produziert werden. Pundt schätzt das Naturprodukt, an dem nur wenig zu machen sei: „Das Ei ist an sich schon fertig.“ Der Färbebetrieb lebt von einer Tradition, die es außer in Deutschland vielleicht noch in der Schweiz oder Österreich gebe. „In Dänemark werden Sie schon kein buntes Ei mehr finden.“

Die Eier sollen durch die Farbe nicht nur hübscher werden, sondern auch länger halten. Der darin enthaltene Schellack umschließt die Poren der Schale. Deshalb sind die grünen, blauen oder roten Eier Wochen genießbar. Noch vor Ostern gehen die ersten Bestellungen für glänzende Eier raus, die nur mit Schellack haltbar gemacht werden. Als Picknickeier seien sie im Handel beliebt. „Pause haben wir nicht. Es kann sein, dass wir am Karsamstag hier produzieren.“ Selbst nach dem Fest kommt das bunte Ei nicht aus der Mode. Dieser Trend habe in den vergangenen Jahren zugenommen. Jeden Tag besprühen und bepinseln die Maschinen in Prinzhöfte deshalb weiter.

In der Packstation werden außerdem Eier für den Handel sortiert. Worum es hier in den großen Hallen geht, zeigt schon das Beet vor dem Eingang des Hauptgebäudes: ein großes Oval. Etwas mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen im Schnitt.

Die Vogelgrippe hat auch auf den Betrieb in Prinzhöfte Auswirkungen. Vor dem Werktor müssen alle Anlieferer eine Desinfektionsschranke passieren. Sprühregen nieselt auf die Lkw nieder. Pundt sieht nach draußen. „Die wird wohl ewig da stehen bleiben. Die Gefahr ist einfach viel zu groß.“ Wenn die Vögel wieder wegzögen, machten jede Menge Gänse Zwischenstation in der Region. Da gelte es, sich so gut wie möglich zu schützen.

Trotzdem hofft Pundt, dass die Freilandhühner bald wieder nach draußen können. Er atmet tief aus. „Da müssen wir abwarten, wie das funktioniert.“ Wenn eine Farm betroffen sei, müssten Unmengen Tiere getötet werden. Die ließen sich wegen der großen Nachfrage nach Hühnern nicht so einfach ersetzen. „Sie können nicht von heute auf morgen neue Vögel kaufen. Das Geschäft ist total durchgetaktet.“

Geheimnisse des Schälens

Der Schälbetrieb kann 70 000 Eier in der Stunde kochen und von ihrer dünnen Umhüllung befreien. Große Roboter sind dafür im Einsatz. Wie genau das funktioniert, bleibt Firmengeheimnis. Die in Lake eingelegten Eier gehen in die Industrie, werden zu Brotaufstrich weiterverarbeite, landen in Salaten von Restaurants oder Bäckereien. Neben Aloys Pundt gehören Holger Runden und Andreas Hennenberg zur Geschäftsleitung. Weiter expandieren am neuen Standort im Gewerbegebiet – Pundt kann sich das gerade nicht vorstellen. „Wir können hier nicht weiterwachsen.“

Der Großteil der bunten Eier komme aus der Bodenhaltung oder der Kontrollierten Alternativen Tierhaltung. Keine zwei Prozent der Eier in der Färbung sei von Hühnern in Käfighaltung. Dazu gibt es im Umkreis mehrere Farmen des zugehörigen Betriebs Landgut Hennenberg mit knapp einer Million Hühner. Deren Eier werden hier verarbeitet. Bio- und Freilandeier habe man auch – „jede Menge“. Gefärbt werden sie nicht. „Die Eier sind viel zu teuer dafür. Das können Sie nicht bezahlen„, sagt Pundt. “Und der Aufwand wäre viel zu groß. Wir bräuchten Biofarben und müssten die Maschinen reinigen. Dafür haben wir gar keine Zeit.“ Ob Ostern oder nicht – das Eiergeschäft scheint das ganze Jahr gut zu laufen. Der Informationsdienst Marktinfo Eier und Geflügel geht davon aus, dass jeder Deutsche im Schnitt 235 Eier pro Jahr verbraucht.

Damit das Frühstücksei beim Kochen nicht kaputtgeht, gibt es einen Trick, sagt Pundt: „Das Ei muss schon ein bisschen abgelagert sein. Ganz frisch von der Farm ist die Gefahr groß, dass es platzt.“ Im Handel gebe es zudem Eier von älteren Hühnern – Knackpunkt zwei. „Da ist ja nichts dran, aber die Schale ist dünner. Dann kann das auch passieren.“ Und Eier der Größe L könne er fürs Kochen nicht empfehlen, deren Schale sei ebenfalls dünner. Für die Industrie gelten noch strengere Regeln: „In der Färberei können Sie nur spezielle Eier einsetzen. Das müssen sortierte in der Größe M von jungen Hühnern sein. Sonst platzen sie.“

Wenn er durch die Firma laufe, nehme er sich hier und da mal ein Ei mit. „Das schmeckt ganz gut.“ Doch er esse nicht mehr Eier, weil er in der Branche arbeite. Unter der Woche gehe er morgens noch laufen oder schwimmen, da fehle ihm die Zeit für ein Frühstücksei. Sieben Minuten – so isst er es gerne. Pundt lacht. „Wenn ich jetzt ganz ehrlich sein soll, ich esse eher weniger Eier.“

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