Warum laufen Menschen, Gorillas oder Orang-Utans auf den Sohlen, die meisten anderen Primaten aber nicht? Eine mögliche Antwort auf diese Frage geben Wissenschaftler im Fachjournal „Biology Open“. Nach ihren Erkenntnissen könnte die Bereitschaft zum Kämpfen bei der Entwicklung dieser Eigenschaft eine zentrale Rolle gespielt haben. Der typische Sohlengang sei beim Kämpfen von Vorteil. Mit den Fersen am Boden seien Bewegungen, die im Kampf wichtig seien, besser auszuführen als im Zehengang, der bei den meisten anderen Primaten zu beobachten sei.
Ausgangspunkt der Untersuchung war die Frage, ob der Mensch von Natur aus aggressiv ist und zur Konfrontation neigt oder ob er sich nur dann angriffslustig verhält, wenn ihm der Zugang zu Ressourcen verwehrt wird. Wenn die zuerst genannte Erklärung richtig wäre, müsste man davon ausgehen, dass die Aggressivität im alltäglichen Leben lediglich eingeschränkt wird, etwa durch soziale Kontrolle. „Wenn Aggression in unserer Vergangenheit wichtig war, dann sollten wir Belege dafür in unserer Anatomie finden“, sagt David Carrier von der University of Utah in den USA, der die Untersuchung zusammen mit Christopher Cunningham von der britischen Swansea University durchgeführt hat.
Auf der Suche nach solchen Belegen baten die Wissenschaftler Freiwillige, sich auf eine sogenannte Kraftmessplatte zu stellen und ein schweres Pendel in Bewegung zu setzen. Dies konnte zum Beispiel mit Schlägen von der Seite, durch Ziehen oder Drücken geschehen. Dabei standen die Versuchspersonen auf einem oder beiden Beinen, auf den Zehen oder auf dem ganzen Fuß. Die Wissenschaftler bestimmten unter anderem die Kräfte, die auf den Boden und das Pendel wirkten. Das Ergebnis: Egal, welche Bewegung die Freiwilligen ausführten – die auf den Boden wirkenden Kräfte waren stets größer, wenn sie den gesamten Fuß aufsetzten. Sie konnten so mehr Kraft und Energie aufbringen – ein deutlicher Vorteil beim Kämpfen.
Um zu veranschaulichen, wie wichtig die Kraftübertragung auf den Boden ist, ließen die Wissenschaftler die Versuchspersonen die Aufgabe auch mit rutschigen Socken auf einer Teflon-Unterlage ausführen. Dabei drehten sie sich um sich selbst und konnten erheblich weniger Kraft erzeugen. Physische Aggression sei sicher nicht der einzige Faktor, der die Entwicklung der Füße beeinflusst habe, sagt Carrier. Die Ergebnisse legten aber nahe, dass die Leistungsfähigkeit beim Kämpfen eine wichtige Rolle gespielt habe.
Einige Forscher vermuten, dass auch das Leben auf Bäumen die Entwicklung der Gangart beeinflusst hat. Einige Affen hangeln sich durch Bäume, indem sie mit den Füßen über Äste laufen und sich gleichzeitig mit den Armen an anderen, weiter oben hängenden Ästen festhalten. Diese Art der Fortbewegung werde erleichtert, wenn das Gewicht auf die Hinterbeine verlagert werde, heißt es. Eine Folge sei das Aufsetzen des gesamten Fußes, der Sohlengang. Außer dem Menschen und den Menschenaffen sind zum Beispiel auch Bären, Dachse oder einige Nagetiere Sohlengänger. Der Zehengang ist bei Arten verbreitet, die viel und schnell rennen.
Dass die Fähigkeit, aufrecht zu gehen, für die Entwicklung des Menschen eine entscheidende Rolle gespielt hat, steht für Wissenschaftler außer Frage. Als vorteilhaft könnte sich der aufrechte Gang auch erwiesen haben, als infolge geologischer Veränderungen wie der Entstehung von Gebirgszügen in Ostafrika Landstriche austrockneten. Wer aufrecht geht, hat in einer von Gräsern und vereinzelten Bäumen geprägten Savanne einen besseren Überblick. Auch im Verlust der dichten Behaarung und der gesteigerten Schweißdrüsendichte der Haut sehen Wissenschaftler eine Anpassung an die klimatischen Verhältnisse in Savannen.