Erst gab es Widerstand im Beirat, dann in der Baudeputation, schließlich von Bürgern: Der alte Bahnhof in Aumund soll bleiben. Doch ob Politiker und Anwohner tatsächlich den Plan von Aldi verhindern können, das Gebäude abreißen zu lassen, um aus dem Grundstück einen Wendeplatz zu machen, ist ungewiss. Über die Petition, die Anke Nerger mit mehreren Nachbarn im September bei der Bürgerschaft einreichte, ist zwar noch nicht entschieden worden. Aufschiebende Wirkung, wie es im Beamtendeutsch heißt, haben ihre Einwände aber nicht. Jedenfalls nicht automatisch.
Der Gedankengang von Nerger ist simpel: Solange sich der Petitionsausschuss nicht mit ihrem Anliegen beschäftigt hat, kann Aldi auch nichts abreißen. Ansonsten, meint sie, würden ja Tatsachen geschaffen – und wäre ihre Petition hinfällig, noch bevor über sie beraten wurde. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Sagt zumindest Christian Keller, Referent für Petitionsangelegenheiten im Haus der Bürgerschaft. Ihm zufolge können Eingaben nur dann dafür sorgen, dass Arbeiten an einem Projekt ausgesetzt werden, wenn der Ausschuss ausdrücklich darum bittet. Und ein Behördenchef, in diesem Fall Bausenator Joachim Lohse (Grüne), dieser Bitte folgt.
Ob der Ausschuss auch im Fall des Bahnhofs so weit gehen wird, darüber kann Keller momentan nur spekulieren. Nergers Petition ist nach seinen Worten in der parlamentarischen Beratung. Oder anders formuliert: Sie stand noch auf keiner Tagesordnung des Ausschusses – und steht auch für die im Januar nicht drauf. Keller hat nachgesehen. Er geht jedoch davon aus, dass über das Anliegen der Aumunderin noch vor Mai beraten wird. Dann ist Bürgerschaftswahl. Ein Wechsel der Legislaturperiode lässt zwar keine Petition null und nichtig werden, dennoch will Keller bis dahin möglichst alle Eingaben aus dem Vorjahr in den Ausschuss gebracht haben.
Ob der Bahnhof im Mai noch steht, kann Christian Keller derzeit genauso wenig sagen wie Heiko Dornstedt. Der Vegesacker Ortsamtschef weiß aber, dass Aldi zumindest in den nächsten Wochen nicht anfangen wird, auf dem Grundstück zwischen Meinert-Löffler- und Hammersbecker Straße etwas zu verändern. Das, sagt Dornstedt, ist ihm von der Handelskette in einem Gespräch zugesichert worden: kein Abriss vor Donnerstag, 21. Februar. Dann tagt nämlich der Beirat, und wollen die Vegesacker Fraktionen noch einmal über den alten Bahnhof sprechen – diesmal mit Vertretern von Aldi. Zumindest will der Ortsamtschef sie zur Sitzung einladen.
Auf der sollen die Planer des Konzerns mal im Detail erklären, was sie in Aumund vorhaben und warum der Bahnhof aus ihrer Sicht partout im Weg ist. Laut Dornstedt wird es noch einen anderen Entwurf geben – einen von Abrissgegnern, die aufzeigen wollen, weshalb das Gebäude unbedingt stehen bleiben muss. Und wie es noch mehr genutzt werden kann als bisher. Für Anke Nerger, so hat sie das dem Ausschuss geschrieben, verbietet sich ein Abriss schon deshalb, weil der Bahnhof nicht irgendeine Immobilie ist, sondern eine ortsbildprägende. Und eine, die nicht von irgendwem stammt, sondern von Karl Mohrmann, der auch die St.-Michaelis- und die Kirche an der Wigmodistraße entworfen hat.
Nerger weiß, dass der Bahnhof nicht unter Denkmalschutz steht. Doch für sie ist er trotzdem erhaltenswert. Ihr Argument: Nicht alles, was alt ist, muss automatisch weg, damit Platz für Neues geschaffen werden kann. Schon gar nicht für einen Wendeplatz. Noch dazu an dieser Stelle. Nerger, 78, früher Sprecherin des Beirats, spricht von einem heiklen Kreuzungsbereich. Von Autos und Bussen, die dort schon jetzt lange stehen, wenn die nächste Nordwestbahn kommt. Und davon, dass jeder, der sich in Aumund auch nur ein bisschen auskennt, zusätzlichen Lastwagenverkehr für unverträglich halten muss. Darum kann sie sich nicht erklären, wie das Bauamt zu einem anderen Schluss kommen konnte.
Beirat und Baudeputation stört noch etwas ganz anderes. Vertreter beider Gremien verstehen nicht, warum Aldi etwas darf, was Rewe einige Hundert Meter entfernt bisher verboten ist: sich zu vergrößern. Für die Politiker passt das nicht zusammen: Entweder jedem Supermarkt wird erlaubt, sein Gebäude beziehungsweise Grundstück zu erweitern – oder keinem.