Tierkommunikation ist keine Hexerei. Imker klopfen im Winter schon mal an die Bienenkästen, um zu hören, ob im Volk alles paletti ist. Wenn die Bienen bei der sogenannten Klopfprobe mit einem lauten, lang andauernden Heulen antworten, dann ist das nicht gut. Bei einem gesunden Volk mit Königin summen die Bienen nur kurz auf und sind dann sofort wieder ruhig. Normalerweise muss der Imker sein Ohr an den Kasten legen, damit er die Bienen hört. Als ich mit dem gefühlt zentnerschweren Bienenhaus die Treppe vom Dach der Bremer Lotto-Zentrale herunter wanke, hört man ihr Heulen bis auf die Straße.
Sie beschweren sich noch, als sie schon hinten im Auto platziert sind. Glücklicherweise ist der Kasten fest mit einem Koffergurt verschnürt und das Einflugloch verstopft. Es wäre kein Vergnügen, sich das das Wageninnere mit einem derart aufbrausenden Völkchen zu teilen. „Mach den Kasten gleich auf, wenn du Zuhause bist, rät Stadtimker Marcus Bräunlich. „Sie wollen raus, und Du weißt ja, wie zartfühlend Bienen sind.“
Gleich der erste Winter mit Bienen hat mir gezeigt, wie zartfühlend und vor allem anfällig die Nützlinge sind. Ich habe ein Volk und einen kleinen Brut-Ableger verloren und darüber auch in dieser Serie berichtet. Der einzige Trost: Geteiltes Leid ist halbes Leid: Viele Imkerkollegen hätten von „Totalausfällen“ berichtet, sagt August-Wilhelm Schinkel, Vorsitzender des Bremer Imkervereins von 1875. Er selbst hat zwei Drittel seiner Völker eingebüßt.
In diesen Tagen sammelt das Fachzentrums Bienen und Imkerei in Mayen in der Osteifel zwar noch Daten. Wie Institutsleiter Christoph Otten jedoch am Telefon berichtet, sieht es derzeit so aus, als hätten vor allem Bremer Imker in diesem Winter mit dem Bienensterben zu tun gehabt: „Im Schnitt hat ein Drittel der Imker ihre Völker verloren. Das sind doppelt so viele wie der Bundesdurchschnitt.“
Auch im niedersächsischen Umland gab es Verluste. „Der Wert liegt mit 14 bis 17 Prozent leicht über dem Mittel“, rechnet Otten hoch. Das Institut zeichnet die Winterverluste der Imker im ganzen Bundesgebiet seit 1997 auf. „Wir schwanken jährlich zwischen zehn und 22 Prozent. Dieses Jahr liegen wir im Mittelfeld.“
Es sei normal, wenn einige Bienenvölker über den Winter absterben. Bremen hebe sich dieses Jahr jedoch stark vom Durchschnitt ab. Allerdings, schränkt Otten ein, hätten sich bisher erst 22 Imker aus Bremen auf die Umfrage des Instituts zurückgemeldet. Aus Niedersachsen liegen dem Institutsleiter immerhin 437 Rückmeldungen vor.
Um ehrlich zu sein, habe ich es ebenfalls versäumt, auf eine Umfrage des Vereins zu reagieren und meine Verluste zu melden. Imkern ist leider doch mehr, als nur den Bienen beim Fliegen zuzuschauen. Zu den schlimmsten Aufgaben zählt übrigens das Einschmelzen der Bienen-Waben.
Imker schmelzen das alte Wachs ein und gewinnen dadurch neues Rohmaterial. Aber erstmal muss man das Wachs von den Holzrähmchen bekommen. Dafür braucht es einen Wachsschmelzer. Meine Kollegin hat eine Plastik-Box und einen Dampf-Tapetenlösegerät genommen und daraus einen Dampfwachsschmelzer gebaut. Darin wird Wasser zum Verdampfen gebracht, welches wiederum das Wachs zum Schmelzen bringt. Der selbstgebaute Dampfwachsschmelzer meiner Imkerkollegin funktionierte zwar hervorragend, aber das bedeutete auch, dass ich am Ende der Prozedur händevoll klebrigen Schmodder aus der Plastikbox holen musste.
Um den gröbsten Schmutz loszuwerden, der aus Puppenhäutchen vorausgegangener Brut besteht, gießen einfallsreiche Imker die braune Sauce durch einen Damenstrumpf. Die Idee vom eigenen Wachskreiskaufs hat für mich nach dieser Erfahrung (und der anschließenden Wiederherstellung der Küchenordnung) einiges an Attraktivität eingebüßt. Deshalb habe ich mir für mein zweites Bienenjahr eine Lieferung neuer Wachsplatten aus dem Fachhandel gegönnt. Ein Kilo Wachs kostet übrigens um die 20 Euro.
Das Wachs sollte aus Gründen der Bienengesundheit einmal im Jahr ausgetauscht werden. Keime und andere Erreger könnten sich sonst dort ansammeln. Gerade in Zeiten, in denen in Bremen weiterhin die Amerikanische Faulbrut, eine tödliche und meldepflichtige Bienenseuche, auf dem Vormarsch ist, ist die sogenannte Wabenhygiene wichtig. Habe ich im Imkerkursus gelernt.
Das Bienensterben sei allerdings nicht auf die Amerikanische Faulbrut zurückzuführen, meint Christoph Otten vom Bienen-Institut. „Die Amerikanische Faulbrut ist zwar immer ein Thema, spielt aber beim Bienensterben keine Rolle“, so Otten. „Die Verluste, die wir haben, gehen in die Millionen. Aber das ist ein Varroa-Problem, kein Faulbrut-Problem.“ Die Varroa-Milbe ist ein zeckenähnliches Tier, das als Parasit an der Biene lebt und ganze Völker schwächt und dahinrafft.
„Wenn der Februar mild ist, führt das zum Wachstumsschub in der Pflanzenwelt. Der frühere Trachtbeginn führt zu einem früheren Beginn der Varroa-Entwicklung. Die Bienen gehen dann schon geschwächt in den Winter“, erläutert der Leiter des Fachzentrums.
Der Verkäufer meiner Bienen hat mir noch auf dem Dach der Lotto-Zentrale gezeigt, dass er bereits ein Drohnen-Rähmchen ins Volk gehängt hat. Ein Drohnenrahmen ist einfach ein leerer Holzrahmen, an dem die Arbeiterinnen bevorzugt die größeren Brutzellen für die männlichen Bienen anbauen. Die Varroamilben lieben Drohnenbrut. Denn Dohnen schlüpfen erst nach 24 Tagen schlüpfen, Arbeiterinnen schon nach 21 Tage. Die Milben haben so bei den Drohnen bessere Entwicklungsbedingungen. Um die Milbenzahl zu verringern, muss der Imker die Drohnenbrut aus dem Volk entfernen.
Bevor ich beginne, männliche Bienenbrut in unserem Froster kalt zu stellen, was kein Spaß sein wird, lässt sich an diesen warmen Frühlingstagen erstmal die Sonnenseite des Imkerns genießen. Emsig umschwirren die Bienen die Obstblüten im Garten, am Flugloch am Bienenkasten herrscht Hochbetrieb. Das Volk hat den Umzug offenbar gut überstanden.
Übrigens ist die Klopfprobe nur mäßig geeignet, um festzustellen, ob ein Bienenvolk gesund ist. Man kann sich damit einen ersten Eindruck verschaffen, mehr aber auch nicht. Wenn die Bienen laut heulen, bedeutet das zwar meistens, dass sie keine Königin mehr haben. Das Heulen kann aber auch andere Gründe haben. Nämlich zum Beispiel, dass sie keine Lust auf einen Umzug ins niedersächsische Umland haben. Wer Genaues wissen will, muss immer nachschauen und einen Blick in den Bienenstock werfen. Das will ich am Wochenende tun.
Weitere Informationen
Alle bisherigen Serienteile finden Sie auch im Internet unter www.weser-kurier.de/thema/bienenmutter.