Frau Bogedan, Sie sind im vergangenen Frühjahr nach Blumenthal gezogen. Ebenso der Bürgerschaftsabgeordnete Elombo Bolayela. Hat es den Wunsch der SPD an Sie gegeben, nach Blumenthal zu ziehen, um für die Sozialdemokratie die Kohlen aus dem Feuer zu holen?
Claudia Bogedan : Nein! (lacht) So etwas hat es nicht gegeben. Das war Zufall. Elombo Bolayela und ich wussten untereinander nicht, dass wir nach Blumenthal ziehen würden.
Warum sind Sie nach Blumenthal gezogen?Weil es schön ist. Wie haben stadtweit gesucht und uns ausgesucht, wo es uns am besten gefallen hat.
Sie sind seitdem präsenter in Bremen-Nord.Das nehme ich so nicht wahr. Parteitermine haben zugenommen. Das liegt in der Natur der Sache.
Hat sich ihre Wahrnehmung von Blumenthal seit dem Umzug geändert?Ja klar. Man bekommt durch Gespräche einen ganz anderen Einblick. Der Stadtteil befindet sich im Umbruch. Dieser Umbruch muss gestaltet werden, weil wir noch nicht wissen können, ob es zum Guten oder zum Schlechten ist. Viele Menschen spüren, dass es Veränderungen zum Bessern gibt, aber die Aufgabe ist noch nicht vollbracht. Die Kita-Plätze sind ein gutes Beispiel dafür. Die sind noch nicht da, sie sind aber im Entstehen. Und das sehen die Blumenthaler, sie merken: Da ist etwas in Bewegung. Der Ordnungsdienst, der jetzt auf den Straßen unterwegs ist, ist ein weiteres Beispiel.

Der Start für den Berufsschul-Campus soll im ehemaligen Sortiergebäude der BWK gemacht werden.
Ich habe das Gefühl, dass diese Haltung wackelt. Aber sie ist noch nicht überwunden. Ich würde es als skeptisches Beobachten beschreiben. Ob diese Entwicklung so bleibt und wie die Integration der vielen Zugewanderten gelingt – darüber gibt es bei den Menschen Unsicherheit. Aber es fängt an, dass die Geschichte anders erzählt wird: Es passiert etwas in Blumenthal. Und wenn es so weiter geht, hat es das Potenzial, gut zu werden.
Nach dem Ergebnis der letzten Bürgerschaftswahl und auch im Laufe der Legislatur ist immer wieder davor gewarnt worden, als Reaktion auf die starke Zuwanderung könnte Blumenthal weiter nach rechts abrutschen.Ich glaube, da ist noch viel zu tun. Es reicht nicht, punktuell zu arbeiten. Was organisiert werden muss, sind Begegnungen und ein Leben miteinander. Wir müssen zeigen, dass niemand etwas verliert, weil neue Menschen hinzukommen. Es werden Strukturen aufgebaut, auch rund um das Ortsamt, um Aufgaben gemeinsam zu lösen. Das ist ein großer Fortschritt. Wie haben zum Beispiel das Weihnachtssingen auf dem Blumenthaler Marktplatz gehabt. Es werden Orte geschaffen, an denen man sich begegnen kann. Aber das ist in den Kinderschuhen.
Wird die Wahl in Blumenthal gewonnen?Auch wenn ich Politikerin bin, finde ich, dass die übergeordneten Aufgaben wichtiger sind als das Wahlergebnis. Und ich sage schon seit dreieinhalb Jahren, dass Gröpelingen und Blumenthal die Stadtteile sind, an denen das Wohl und Wehe der gesamten Stadt hängt. Diese Stadtteile sind wie Brenngläser für die Entwicklung der gesamten Gesellschaft.
Sie wissen, an welchen Schulen es in den benachteiligten Stadtteilen den größten Bedarf gibt. Also müsste es auch möglich sein, an diesen Schulen die Probleme zu lösen.Das geht nicht mit einem Fingerschnippen. Wir richten unser Augenmerk auf die Schulen und versuchen mit aller Kraft, Personal dorthin zu schaffen. Die Verbesserungen können aber nicht im Klassenraum ankommen, wenn Fachkräfte fehlen.
Was tun sie, um Lehrer und weitere pädagogische Fachkräfte nach Blumenthal zu bekommen?Fachkräfte haben, was den Standort betrifft, nicht mehr die freie Wahl. Sie bekommen prioritär Angebote an Schulen, die einen hohen Bedarf haben.
Durch den Fachkräftemangel verzögern sich Projekte. Jetzt geht das Familienzentrum an der Kapitän-Dallmann-Straße mit weniger Gruppen an den Start, weil Kräfte fehlen.Das betrifft vor allem den Kita-Bereich. Bei den Lehrern sind wir besser aufgestellt, da gibt es ausreichend Studierende, die wir ins Referendariat holen können. Bei den Erzieherinnen und Erziehern geht es aber darum, dass wir ganz neue Interessenten für den Beruf gewinnen müssen. Da müssen wir Imagekampagnen starten, neue Ausbildungsformen finden. Wir werden jedes Jahr neue Maßnahmen auflegen müssen.
Ein zweiter Punkt, der den Ausbau der Betreuungsangebote und Schulen hemmt, ist die Auslastung der Baubranche. Sind Sie im Moment auch ein bisschen Bausenatorin?Faktisch ist das ein Hemmschuh. Wir hatten zum Beispiel im Sommer Probleme, Mobilbauten aufzustellen, weil keine Pflastersteine auf dem Markt waren. Die Firmen haben keine Lagerhaltung mehr, alles wird just in time geliefert. Wenn dann die Städte bundesweit die gleichen Probleme haben und wie in diesem Fall mit Mobilbauten arbeiten, kommt es zu Engpässen.
Ich glaube, es gibt Missverständnisse bei den Zahlen. Wir haben Planungen vorgelegt, die wirklich ausreichend Luft nach nach oben lassen. Wenn man sich diese Zahlen genau ansieht, stellt man fest, dass wir gut und großzügig geplant haben und dass keine zusätzliche Grundschule in Blumenthal notwendig ist. Auch was die zusätzlichen Züge betrifft, wird falsch gerechnet. Aber genau in diesen Fragen werden wir uns noch einmal zusammensetzen, uns die Zahlen ansehen und überlegen, woher die Annahme kommt, dass eine ganze Grundschule fehlt.
Wann wird die Grundschule in Farge neu gebaut, wann die Grundschule in Rönnebeck?Das dauert noch. Wir fangen jetzt mit den Planungen an. Im zweiten Halbjahr 2019 werden wir dann die Entscheidung über die Standorte treffen, zusammen mit der Stadtteilpolitik. Dann werden Planungsaufträge an Immobilien Bremen erteilt, auch noch einmal mit einer Überprüfung, ob eine Sanierung der alten Standorte nicht günstiger ist. Wir gehen davon aus, dass das nicht wirtschaftlicher wird. Dann geht es in die Bauphase. Und da gibt es festgelegte Abläufe. Für Schulneubauten ist das nicht unter fünf bis sechs Jahren zu schaffen.
Also Eröffnung der Grundschulen in acht Jahren?Sieben. Das ist eine realistische Zeitspanne. Wenn wir uns alle anstrengen. Dann stehen die Neubauten.
Das größte Projekt ist der geplante Berufsschul-Campus auf dem BWK-Gelände. Startet der auch erst in sieben Jahren?Der Campus macht früher auf. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass wir mit allen Schulen auf einen Schlag auf den Campus ziehen. Wir machen eine Zug-um-Zug-Entwicklung. Mit den Schulen und Zweigen, bei denen Eile herrscht, ziehen wir zunächst auf das Gelände und entwickeln es sukzessive weiter. Wir haben eine große Idee, die mit allen Berufsschulen geeint ist. Wir werden mit dem Schulzentrum Blumenthal anfangen, weil die Berufsschule den Standort Eggestedter Straße definitiv verlassen muss, um Platz für die Oberschule zu machen. Dann folgen Bereiche der Schule Alwin-Lonke-Straße, die massiv sanierungsbedürftig sind. Wir wollen gemeinsame Idee mit der Kammer und mit dem Handwerk entwickeln. Am Schulzentrum Vegesack laufen bereits die Vorbereitungen für ein Kompetenzzentrum für moderne Haus-Elektronik, das perspektivisch auf den Campus verlagert werden soll. Dort soll man sich dann zum Beispiel in einer Modellwohnung ansehen können, wie ein Smarthome funktioniert.
Mit dem Schuljahr 2022/23. Es geht dabei vordringlich darum, das ehemalige BWK-Sortiergebäude zu nutzen. Der Prüfauftrag an Immobilien Bremen ist raus.
Was heißt „eine große Idee“?Da muss eine Mensa hin, ein Sportangebot, eine Kindertagesstätte. Denkbar ist, dass es ein gemeinsames Veranstaltungszentrum gibt, das auch vom Stadtteil genutzt werden kann. Der Standort soll auch für Weiterbildung genutzt werden, das wird in Zukunft eine stärkere Rolle spielen.
Werden am Ende alle heutigen Berufsbildenden Schulen Bremen-Nords an diesem Standort sein?Ja. Aber es geht auch darum, die Schulen mit einem starken Handwerksaspekt, die sich heute in der Innenstadt befinden, auf den Campus zu holen.
Von wie vielen Schülerinnen und Schüler gehen Sie insgesamt aus?Über 3000.
Das Interview führte Michael Brandt.Claudia Bogedan ist seit 2015 Bildungssenatorin in Bremen. Die Sozialwissenschaftlerin stammt aus Limburg an der Lahn und lebt seit vergangenem Jahr in Blumenthal. Claudia Bogedan ist verheiratet und hat zwei Kinder.