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Interview mit Heide Marie Voigt „Wir wollen nicht länger warten“

In diesem Jahr musste die Veranstaltungsreihe „Gastgeber Sprache“ bedingt durch die Corona-Pandemie ausfallen. Wie die Planungen für 2021 aussehen, erzählt Organisatorin Heide Marie Voigt im Interview.
17.11.2020, 07:00 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Frau Voigt, haben Sie bereits ähnliche Literatur-Veranstaltungen wie „Gastgeber Sprache“ organisiert?

Heide Marie Vogt: Zum Beispiel „Zwiesprache Lyrik“ in Bremen: Im Jahr 2010 haben wir ein Vierteljahr lang 20 Gedichte aus 20 Ländern an gut sichtbaren Hauswänden befestigt. Danach habe ich unter anderem Lyrik-Lesungen in verschiedenen Stadtteilen Bremens organisiert und ich war bereits mehrfach am Literaturfestival „Gastgeber Sprache“ beteiligt.

Was ist das Besondere an „Gastgeber Sprache“, das seit dem Jahr 2016 in Bremen-Nord stattfindet?

An mehreren Terminen können Zuhörer Lesungen von Autoren aus der Region besuchen. Sie hören dabei selbst verfasste Prosa oder Lyrik, aber auch Werke anderer Autoren. Eine Besonderheit ist, dass die Autoren ihre Veranstaltungen selbst organisieren. Dabei haben sie ihre Lesungen zum Teil an außergewöhnlichen Orten stattfinden lassen, wie zum Beispiel in einem Friseursalon, in privaten Wohnzimmern oder auch im Bunker Valentin.

In diesem Jahr ist jedoch aufgrund der Pandemie alles anders. Wie laufen die Planungen für das nächste Literaturfestival „Gastgeber Sprache“?

Wir wollen jetzt miteinander ins Gespräch kommen und nicht länger warten und schweigen. Das nächste Festival „Gastgeber Sprache“ soll im Frühjahr 2021 stattfinden und an sechs Standorten in Bremen-Nord laufen: zwei in Vegesack, zwei in Blumenthal und zwei in Burglesum. Das Programm ist derzeit allerdings noch nicht abgesprochen, und es gibt auch noch kein Oberthema. Weiterhin wird es aufgrund der Corona-Pandemie keine gemeinsame Eröffnungsveranstaltung geben, bei der viele Menschen zusammenkommen. Außerdem wird uns beim nächsten Literaturfestival die Stadtbibliothek Vegesack leider nicht mehr unterstützen. Wir bemühen uns deshalb derzeit um Globalmittel, um die Werbung zu finanzieren. Spenden würden uns übrigens sehr weiterhelfen.

Wird es beim nächsten „Gastgeber Sprache“ etwas Neues geben?

Das Arbeit und Lernzentrum (ALZ) Vegesack hat bereits zugesagt, sich zu beteiligen. Dort gibt es einen Arbeitskreis, in dem sich geflüchtete Frauen gegenseitig erzählen, was sie in ihrer Heimat oder auf der Flucht erlebt haben. Wir laden ein, dass Vertreter dieses Arbeitskreises beim Literaturfestival auftreten. Darüber hinaus versuchen wir, Schüler zu Wort kommen zu lassen, die an verschiedenen Orten in Bremen-Nord eigene Texte verfassen.

Warum sind Sie bei „Gastgeber Sprache“ nicht, wie viele Veranstalter von Lesungen, auf Online-Auftritte oder Podcasts ausgewichen?

Ich denke, dass digitale Veranstaltungen den persönlichen Kontakt zwischen Autor und Publikum nur zum Teil ersetzen können. Wichtig sind Austausch und Verständigung, und das gestaltet sich online schwierig, obwohl zum Beispiel die Stadtbibliothek Podcasts anbietet, die auch von Autoren genutzt werden.

Was für Ambitionen stecken hinter dem Literaturfestival?

Ich möchte damit vor allem dazu beitragen, dass Menschen zu Wort kommen und ausdrücken können, was sie erlebt haben – was ich besonders in diesem schwierigen Jahr für wichtig halte.

Welche Texte kommen beim Publikum denn besonders gut an?

Das wüsste ich auch gern genauer, aber es würde sich wirklich lohnen, dieser Frage einmal nachzugehen. Nach meiner bisherigen Erfahrung finden humorvolle Texte, solche mit einem gewissen Tiefgang, aber auch Träume und Fantasien viel Anklang beim Publikum.

Wie sehen Sie selbst die Bedeutung von Literatur und eigenem Schreiben?

Es ist für das eigene Leben extrem bereichernd, seine Erfahrungen mit der Welt und mit anderen Menschen niederzuschreiben. Das gibt einem weit mehr als nur zu lesen. Und wenn bei „Gastgeber Sprache“ ein Autor sich traut, mit seinen Texten nach draußen zu gehen, ist das eine große Leistung, die ich unbedingt unterstützen möchte.

Sie selbst sind ja sehr produktiv, nicht nur in der Bildenden Kunst, sondern auch als Autorin – was gibt Ihnen persönlich das Schreiben?

Durch das Schreiben verarbeite ich vieles, was in der Welt geschieht, intensiver und verarbeite es besser. In dem Moment, in dem ich etwas formuliere, erfasse ich ein Thema anders, und ich traue mir ein Urteil zu. Und das Schreiben gibt einem zugleich das Gefühl von Selbstwürdigung.

Ist es deshalb nicht eine wichtige Kulturaufgabe, Schreiben schon in der Schule zu vermitteln?

Unbedingt. Durch die moderne Medienwelt werden Kinder und Jugendliche ja pausenlos überfordert. Es ist für die Ausbildung ihrer Persönlichkeit wichtig, sich mit ihren eigenen Erfahrungen intensiv auseinanderzusetzen, sich darüber auszutauschen und zu verständigen. Und dazu gibt es keinen besseren Weg als das Schreiben.

Arbeiten Sie derzeit an einem neuen Schreibprojekt?

Derzeit schreibe ich an einer Familiengeschichte, die in Form eines Romans verfasst wird.

Das Interview führte Jörn Hildebrandt.

Zur Person

Zur Person

Heide Marie Voigt

geboren 1942, ist Autorin und ehemalige Pädagogin. Derzeit ist sie eine der Organisatorinnen von „Gastgeber Sprache“ in Bremen-Nord. Darüber hinaus ist Voigt auch künstlerisch tätig.

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